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Archiv-Artikel

Ein Studium mit doppeltem Abschluss

HOCHSCHULE Duale Studiengänge boomen. Studierende reizen Praxisbezug und Ausbildungsgehalt. Semesterferien gibt es nicht

VON NIELS HOLSTEN

Nach zwei Semestern Jura hatte Melina Neumann genug von der Uni. Massenveranstaltungen mit 300 und mehr Leuten und Kommilitonen, die sich eigentlich nicht sicher sind, ob sie das, was sie tun, auch tatsächlich wollen, hatten ihr das Studium vermiest.

„An der Uni hat man nicht so den Druck“, sagt die 21-Jährige, „das führt zum Bulimielernen.“ Vor der Klausur alles in sich reinpauken und nach der Klausur alles wieder vergessen.

Nun studiert sie seit zwei Semestern dual. Und verbindet so ein Studium mit einer Ausbildung. In drei Jahren macht sie sowohl einen Abschluss als Kauffrau für audiovisuelle Medien als auch den Bachelor in Media Management. „Ich habe die Möglichkeit, das Gelernte gleich anzuwenden“, sagt Neumann.

Immer im Wechsel von drei Monaten studiert sie entweder an der Hamburg School Of Business Administration (HSBA) oder lernt in ihrem Ausbildungsbetrieb, der Edel AG, einer Medienfirma mit Sitz in Hamburg-Neumühlen.

Die staatlich anerkannte HSBA wurde 2004 von der Handelskammer Hamburg gegründet und bezeichnet sich selbst als Hochschule der Wirtschaft. Gut 840 Menschen studieren hier dual in Kooperation mit mehr als 250 Unternehmen.

Melina Neumann gefällt es dort. „Es ist persönlich. Wir studieren im festen Klassenverband von circa 20 Leuten und die Menschen, die da sind, wollen das auch wirklich.“ Die Lehrräume seien gut ausgestattet und es werde stets sehr konzentriert gearbeitet. „Hier spielt niemand mit seinem Smartphone rum. Das wird aber auch streng kontrolliert“, sagt die angehende Akademikerin.

Duale Studiengänge gibt es schon seit den 1970ern. Und sie boomen. In den letzten zehn Jahren hat sich nach Zählungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) die Zahl der Studiengänge und der Studierenden mehr als verdoppelt. Im Jahr 2014 zählte das BIBB 1.505 Studiengänge mit 94.723 Studierenden. Insbesondere die Fachhochschulen haben ihre Angebote ausgeweitet. Mit über 1.000 Studiengängen bieten sie die meisten an. An Universitäten sind es lediglich knapp 70. Fachlich dominieren ganz klar die Wirtschaftswissenschaften, gefolgt von den Ingenieuren und Informatikern. Doch auch im Sozial- und Gesundheitsbereich entwickeln sich solche Angebote. Das BIBB hat sie alle in der Datenbank „AusbildungPlus“ gesammelt. Dort finden sich auch die kooperierenden Betriebe.

Die Edel AG hat vor über zehn Jahren das duale Studium für sich entdeckt. „Wir haben festgestellt, dass Uni-Absolventen ein breites Wissen mitbringen, aber wenig Konkretes“, sagt Susanne Kelch, Personalchefin der Edel AG, „die mussten wir erst einmal in ein Traineeprogramm schicken.“ Dass die Absolventen des dualen Studiums hingegen weniger selbstständig und kreativ seien, kann Kelch nicht sagen: „Wir fördern das im Unternehmen durch Projekte, die unsere Studierenden eigenverantwortlich steuern müssen.“ Am „Ende des Tages“ sei das duale Studium teurer, aber für das Unternehmen würde es sich lohnen.

Kostenlos ist das Studium nämlich nicht. Nicht der Studierende zahlt die Gebühren, sondern überwiegend der Ausbildungsbetrieb. Darüber hinaus wird meist ein Ausbildungsgehalt gezahlt. Dafür müssen die Studierenden mit der Doppelbelastung leben: „Es ist schon straff organisiert“, bestätigt Melina Neumann, man brauche Ehrgeiz. „Es kann sein, dass nach drei Monaten Studium an fünf Tagen fünf Klausuren anstehen.“ Die Noten müsse sie dann bei der Personalabteilung einreichen.

Und wie sieht es mit Freizeit und Freunden aus? Das Klischee, das man kein Privatleben mehr habe, könne sie nicht bestätigen, sagt Melina Neumann.

An Interessenten mangelt es der Edel AG nicht: „Auf die zwei Stellen pro Jahr kommen circa 100 bis 150 Bewerber“, sagt Ausbildungsreferentin Britta Leuna. Neben dem Abitur muss der angehende Studierende bei der HSBA zwei Oberstufenzeugnisse vorlegen, in denen er in Deutsch, Mathe und Englisch einen Durchschnitt von mindestens zehn Punkten erreichte.

„Uns geht es besonders um die sozialen Kompetenzen“, sagt Leuna. „Die Bewerber müssen teamfähig sein.“ Und das seien meist nicht die 1.0 Kandidaten, die seien „häufig wenig sozial verträglich“. Herausgefunden werde das durch Gruppenarbeiten und Präsentationen im Laufe des Bewerbungsverfahrens.

Bei all dem Aufwand binden manche Ausbildungsbetriebe ihre Studierenden vertraglich nach der Ausbildung für bis zu fünf Jahre an das Unternehmen.

Bei ihren Betrieb sei das nicht der Fall, berichtet Melina Neumann: „Das finde ich auch sehr gut.“ Denn was danach kommt, wisse sie noch nicht. Vielleicht würde sie ein mögliches Angebot der Firma annehmen, vielleicht noch einen Master machen, „vielleicht brauche ich aber auch erst mal eine Auszeit“.