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Archiv-Artikel

Bewaffnet in Vorlesung und Prüfungsgespräch

USA Ein Gesetz in Texas erlaubt Studierenden und Beschäftigten ab Sommer 2016 das Tragen von Schusswaffen in staatlichen Unis

Bewaffnete LehrerInnen sind für die NRA das Allheilmittel gegen Schulmassaker

AUS NEW YORK DOROTHEA HAHN

Wer an eine Universität in Texas geht, sollte die kugelsichere Weste nicht vergessen. Ab Sommer 2016 dürfen StudentInnen und Beschäftigte mit Schusswaffen ins Seminar, in die Bibliothek und ins Wohnheim kommen. So hat es in dieser Woche auch die zweite Kammer des zweitgrößten Bundesstaates der USA entschieden. Und der republikanische Gouverneur Greg Abbott hat bereits angekündigt, das Gesetz zu unterzeichnen.

Mit gemeinsamen Kräften hatten ProfessorInnen, StudentInnen, Mütter und der Chef der Navy-Seals versucht, das Gesetz zu verhindern. Der ehemalige Navy-Seal William McRaven, heute Chef des University of Texas System, zu dem 15 Hochschulen gehören, beschreibt sich selbst als „Typen, der Schusswaffen liebt“. Aber er bezweifelt, dass sie Universitäten sicherer machen. Ende Mai hat er ein Schreiben an die texanischen Abgeordneten geschickt, in dem er warnte, die Legalisierung würde wegen zusätzlicher Sicherheitsvorkehrungen auch zu höheren Studiengebühren führen und die Anwerbung von ProfessorInnen erschweren. Unter Letzteren sind viele besorgt, dass ihre Gespräche mit StudentInnen, die durch Prüfungen gefallen sind, heikler werden könnten, wenn sie befürchten müssen, dass ihr Gegenüber bewaffnet ist.

Auch die Polizei hat sich gegen das Gesetz ausgesprochen. Sie befürchtet, dass Einsätze an Universitäten, wo die Polizei zwischen „guten“ und „bösen“ Schützen unterscheiden muss, schwieriger werden.

Doch die Schusswaffenlobby – darunter die NRA (National Rifle Association), die auf nationaler Ebene und in zahlreichen Bundesstaaten ständig versucht, das Recht auf Schusswaffen auszubauen, aber auch studentische Gruppen wie „Concealed Carry“ – war stärker. Der Autor des Gesetzes, der texanische Senator Brian Birdwell, spricht von einem „gottgegebenen Recht auf Selbstverteidigung“. Im Vorfeld der texanischen Abstimmung benutzte die Tea Party auch zurückliegende Schulmassaker, um das Gesetz zu rechtfertigen. Nach dem Massaker von Columbine in Colorado im Jahr 1999 hatte auch die NRA noch vertreten, dass Schusswaffen nicht in Unterrichtsräume gehören. Doch inzwischen erklärt die Organisation nach jedem neuen Schulmassaker, dass es nicht passiert wäre, wenn die LehrerInnen bewaffnet gewesen wären. Ende Mai veröffentlichte die Tea Party, die in die texanischen Debatte stark involviert war, einen offenen Brief von Schießlehrer Phil Graf, in dem er den Eltern der im Dezember 2012 in Newtown in Connecticut ermordeten Kinder vorwarf, dass sie selbst Verantwortung für die Toten trügen. Begründung: Sie hätten den LehrerInnen des Recht verweigert, eine Waffe zu tragen.

Nach dem texanischen Gesetz müssen alle öffentlichen Universitäten das verdeckte Waffentragen erlauben. Nur in gut begründeten Sonderfällen können sie einzelne waffenfreie Zonen beantragen. Private Universitäten hingegen können selbst entscheiden, ob sie Waffen zulassen oder nicht.

Voraussetzung für das Recht auf Tragen einer verdeckten Waffe ist, dass die TrägerInnen einen Waffenschein besitzen. Diesen Schein kann in Texas jedeR über 21 Jahre machen. Die Zahl der nötigen Unterrichtsstunden ist erst kürzlich auf sechs gesenkt worden.

Die meisten Colleges und Universitäten in den USA verbieten das Schusswaffentragen. Doch die Zahl der Bundesstaaten, die es in ihren öffentlichen Universitäten zulassen, wächst. Nach Colorado, Idaho, Kansas, Mississippi, Oregon, Utah und Wisconsin wird Texas jetzt der achte Bundesstaat, in dem sich StudentInnen und Lehrpersonal bewaffnen dürfen.