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Archiv-Artikel

DURCHQUEREN DIE MEISTEN MODELLEISENBAHNEN EINE WELT VOLLER REHE (ABER OHNE HOCHHÄUSER), GEHT ES AUCH IN DER MILITÄRMODELLBAUWELT ROMANTISCH ZU: SIE ZEIGT DEN KRIEG OHNE TOD UND LEIDEN Unheimliche Faszination

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Die 15. Internationale Militärmodellbau-Ausstellung wurde an Pfingsten im deutschen Panzermuseum in Munster abgehalten. Wenn man selbst schon mal versucht hat, sich dem Modellbau zu widmen, wenn auch nur ein einziges Mal, an einem einzigen Modell, dann fällt es einem auf: Der Modellbau ist ganz allgemein sehr dem Krieg verbunden. Es gibt in den Modellbaugeschäften und abteilungen der Kaufhäuser sehr viele, wenn nicht sogar überwiegend Modelle, deren Originale einst für den Krieg gebaut worden sind. Wenn man dann zum Beispiel ein kleines Flugzeug bauen will, muss man erst mal nach einem suchen, das – im Original – zivilen Zwecken diente oder dient.

Die Aussteller auf der Internationalen Militärmodellbau-Ausstellung bauen ihre Modelle natürlich selbst, sie haben einen hohen Anspruch an Detailgetreuheit, und ihre Modelle sind einmalig und nicht in Serie in Asien hergestellt. Warum aber, frage ich mich, machen die das?

Die Faszination an der Miniaturwelt kann ich nachvollziehen, die kann vielleicht fast jeder nachvollziehen, der mal Kind war. Als Kind baut man immer Miniaturwelten, mit Bausteinen und Stöckchen, mit Playmobil und Lego. Manche führen das dann später fort, in der Miniaturwelt der Eisenbahn, wo vieles fast wie im echten Leben nachgebaut wird, eine kleine Welt, mit Bergen und Tunneln, mit Fachwerkhäusern und Kirchtürmen, aber auch mit Tankstellen und Feuerwehrlöscheinsätzen.

Bei allem ist die kleine Eisenbahnwelt meistens eine romantische: Selten gibt es Großstädte, die nähmen auch zu viel Platz auf der Anlage ein, dafür sehr viel Fachwerk, äsende Rehe, Waldlichtungen und Dampfloks, die durch die beschauliche Landschaft tuckern. Die Militärmodellbau-Welt besteht dagegen aus Kriegsszenen: Im Militärmodellbau wird gekämpft, geschossen, getötet. Ohne dass aber, wie im echten Krieg, die Eingeweide herumspritzen, oder abgetrennte Gliedmaßen herumliegen, ohne dass die Gesichter verzerrt sind und die Hosenboden beschmutzt.

Es fließt kein Blut in der Militärmodellbau-Welt. Die Militärmodellbau-Welt ist in diesem Sinne ebenfalls eine romantische, verklärte Welt. Nachgebaut wird, was war, aber wichtig ist dabei nicht, dass das Grauen realistisch rüberkommt, wichtig ist, dass der Panzer detailgetreu ist, das Kriegsgerät, die Uniformen. Was aber macht die Freude daran aus? Warum beschäftigt sich einer so gerne mit etwas, das im echten Leben so viel Leid und Schrecken gebracht hat? Weil es das gab und gibt, könnte man sagen, und das könnte ich sogar anerkennen. Wir gehen ja auch in historische Museen, wir sehen uns Dokumentationen an, wir lesen Bücher über den Krieg, wir lehren unsere Kinder Geschichte in der Schule. Wir wollen ja verstehen und daraus lernen.

Aber der Nachbau von historischen Panzern lehrt uns nichts über die menschliche Geschichte, allerhöchstens über die Geschichte des Panzerbaus. Es geht nicht darum, wer warum und wo erobert und massakriert hat, es geht nicht um Zusammenhänge, es geht nur um Details. Und warum freut sich einer an den Details von Maschinen, die in den Dienst einer so schrecklichen Sache wie dem Krieg gestellt werden? Warum gibt es überhaupt ein Panzermuseum? Warum gehen da Leute rein und freuen sich, wenn sie dann echte Panzer rollen sehen? Gruselt es sie insgeheim und macht das die Freude aus? Oder ist es tatsächlich die Freude und das Interesse an etwas, das eine unheimliche Kraft hat, die Kraft zu töten?

Ist es dieselbe Faszination, die Menschen angesichts alter Kanonen empfinden? Fänden sie es vielleicht auch schön, sich mal eine echte Atombombe von nahem anzusehen? Sie in klein nachzubauen und auf ihrem Dachboden zu zünden? Einen kleinen Feuersturm zu simulieren? Ein kleines Vernichtungslager? Ein paar Folterkammern? Ich verstehe es nicht.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist in diesem Jahr bei Rowohlt Berlin erschienen.