: Wissenschaft gegen Quatsch
PODCASTS Ein Paar aus Hamburg forscht nach, was hinter Chemtrails oder Kornkreisen steckt. Meistens: nichts
VON ERIK WENK
Die Regierung sprüht Chemikalien über uns aus, Impfungen verursachen Autismus, und jüdische Banken wollen die Weltherrschaft – es sind nicht nur Pegida-Anhänger, die solche Meinungen verbreiten. Ein Blick in Internetforen zeigt: Verschwörungstheorien und Pseudowissenschaften haben Konjunktur.
Zwei, die solche Behauptungen mühsam dekonstruieren, sind Alexander und Alexa Waschkau. Seit fünf Jahren betreibt das Pärchen aus Hamburg „Hoaxilla“, einen der meistgehörten Podcasts Deutschlands. 25.000- bis 50.000-mal wird jede Folge heruntergeladen. In über 180 Episoden haben die beiden bisher untersucht, was hinter Lichtnahrung, Stigmata oder Kornkreisen steckt. Ihre häufigste Antwort: ziemlich wenig.
Zu Beginn jeder Folge erzählen die Hoaxillas die Story des jeweiligen Phänomens zunächst ganz unkritisch mit allen angeblichen „Beweisen“. Anschließend analysieren sie alle Argumente mit wissenschaftlichen Quellen oder eingeladenen Experten.
Beispiel Chemtrails: Wenn dem Treibstoff von Flugzeugen tatsächlich schädliche Substanzen zugesetzt würden, würden diese durch die Hitze der Triebwerke zerstört, andere giftige Chemikalien auf metallischer oder mineralischer Basis hingegen würden schnell die Turbinen verschleißen. Wenn aber eine extra Sprühvorrichtung angebracht würde, würden diese vom ständig wechselnden Personal der Vorflugkontrolle sofort entdeckt. Es sei denn, sie gehören auch zur Verschwörung – dies setzt jedoch eine unrealistisch hohe Zahl von Mitwissern voraus (einer quatscht immer). Am Ende jeder Folge bleibt von der Großverschwörung meist nur eine unterhaltsame aber fiktive Geschichte. „Ich habe viele englischsprachige Skeptiker-Podcasts gehört, die sich wissenschaftlich-kritisch mit solchen Themen auseinandergesetzt haben“, sagt Alexander Waschkau, der als Diplompsychologe in der Erwachsenenbildung arbeitet. „Es gab kaum etwas Deutsches in der Richtung, also habe ich meiner Frau gesagt: Lass uns einen deutschen Skeptiker-Podcast machen!“
Ungewöhnlich für die Podcast-Szene ist die Entwicklung, die das als Hobby gestartete Projekt mittlerweile genommen hat: Außer dem Podcast, von dem wöchentlich neue Folgen erscheinen, veranstalten die Hoaxillas regelmäßige Hörertreffen, halten Vorträge und lesen aus ihren diversen Büchern. Mit „Hoaxilla TV“ produzieren sie seit Kurzem eine zweiwöchentliche Fernsehsendung im Internet. Und mit „Psychotalk“, „Schall und Rauch“, „Glaubenssache“ und dem „Firefly-Podcast“ beteiligt sich Alexander via Skype an weiteren Podcasts. Ähnlich aktiv wie die beiden sind in der Podcast-Szene höchstens das Podcast-Urgestein Tim Pritlove („Freakshow“) oder Holger Klein („Wrint“).
Die Waschkaus planen und produzieren ihre Sendungen nach ihrem regulären Feierabend. Geld verdienen sie damit nicht, die Podcasts sind kostenlos. „Ich liebe es einfach, über Dinge zu reden, die mir wichtig sind“, sagt Waschkau. „Ich glaube, ich könnte nicht mehr ohne Podcasts.“ Die Hoaxillas haben definitiv ein Sendungsbewusstsein: „Wir wollen aufklären, aber ohne von der Kanzel zu predigen“, sagt Alexa Waschkau, studierte Ethnologin und freiberufliche Autorin. In der Verbreitung von Verschwörungstheorien sieht sie ein Ventil für Ängste: „Wenn du mit deinem Leben unzufrieden bist, können solche Theorien einfache Erklärungsmodelle für Probleme sein.“ Eine weitere Ursache sei das wachsende Misstrauen gegen Medien, Wissenschaft und Medizin: „Viele verstehen einfach nicht mehr, was die tun. Da haben es die Pseudowissenschaften einfacher, sie haben auf alles eine Antwort“, sagt Alexander.
„Hoaxilla“ soll daher auch zeigen, wie spannend Wissenschaft sein kann. „Wissenschaft kann nur dann besser dastehen als Pseudowissenschaft, wenn sie gut erklärt, was sie tut“, so Alexander. Um Wissenschaftskommunikation zu fördern, engagieren sich die beiden seit Kurzem im Verein „Wissensdurst“. Sie denken nicht daran, ihr Pensum herunterzuschrauben, im Gegenteil: Weitere Buchprojekte sind geplant, und irgendwann würden sie gern mit ihren Hörern reisen: „Wenn wir über Stonehenge reden, könnten wir ja auch mit einer Gruppe von Hörern dorthin fahren“, sagt Alexa.