: „Garten als Teil der Therapie“
PSYCHE Wie gut der Gang in die Natur für die Heilung psychisch Kranker ist, zeigt ein Vortrag am UKE
■ 62, ist Professorin für Neuere Geschichte an der Uni Kassel und leitet das Archiv des Wohlfahrtsverbands Hessen.
taz: Frau Vanja, ist Gartenarbeit für psychisch Kranke mehr als nur eine Beschäftigungstherapie?
Christina Vanja: Gartenarbeit ist immer ein Therapeutikum gewesen. Arbeit in der freien Natur tut gut und man hat darauf geachtet, einzelne Tätigkeiten je nach körperlichen Möglichkeiten zu vergeben.
Worauf kommt es beim Gärtnern für psychisch Kranke an?
Das ist in den einzelnen Jahrzehnten der Psychiatriegeschichte verschieden. In der Weimarer Republik gab es die „aktive Arbeitstherapie“. Man hat mit genauen Plänen ausgearbeitet, wer was macht. Das ging vom Rechen der Wege bis zu komplizierteren Arbeiten im Gewächshaus. Im 19. Jahrhundert war das noch nicht so differenziert, es ging eher darum, dass man sich im Freien bewegt, Licht, Luft und Sonne hat.
Welche Rolle spielen denn Gärten für psychisch Kranke?
Man muss psychiatrische Anstalten als Gesamtensemble betrachten, als Heilanstalten. Diese Idee wurde im frühen 19. Jahrhundert kreiert. Es herrschte ein ganzheitlicher Ansatz vor: Der ganze Mensch soll sich erholen. Dazu muss man sich bewegen und Freude haben. Niemand sollte im Bett liegen. Gedanken der Aufklärung und der Romantik spielten eine Rolle: Die Natur wurde als etwas verstanden, das Menschen heilen kann, während die Städte krank machen. Der Aufenthalt im Garten war Teil der Therapie.
Was unterscheidet Psychiatrie-Gärten von anderen Gärten?
Zwei Dinge sind wichtig: Viel Bewegung an frischer Luft zu ermöglichen und die Sicherheit zu garantieren, sodass niemand wegläuft und Neugierige nicht reingucken. So hat man viele Aspekte des englischen Landschaftsgartens aufgenommen, mit schönen Umgebungen und verschlungenen Wegen, aber unter der Prämisse, dass man immer sehen muss, wo die Patienten gerade sind. Dichte Gehölze sind also nicht geeignet, es muss übersichtlich sein.
Wie sind sie heute angelegt?
Es gibt sehr schöne Wellness-Kliniken, auch psychiatrische, die wieder große Gärten anlegen. Aber es gibt auch viele Gärten, die verfallen gelassen werden. Da muss sich die Denkmalpflege einsetzen, die zu erhalten.
Sind Psychiatrieanlagen in Gefahr, vergessen zu werden?
Wir sind ja in einem Zeitalter, in dem sich alles rechnen muss.INTERVIEW: KSCH
Vortrag „Der Garten als Therapeutikum in den Irrenanstalten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts“: 18:30 Uhr, Medizinhistorisches Museum im UKE