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Archiv-Artikel

Ein Miniatur-Moskau zum Jahrestag

UKRAINE Auch in Donezk im Osten des Landes wird mit einer Parade und Feierlichkeiten des sowjetischen Sieges vor 70 Jahren gedacht. Eine kleine Pause im heutigen Krieg, der am Rande der Stadt weitergeht

AUS DONEZK ANASTASIA MAGASOWA

„Mama, sehen wir gleich die Panzer?“, fragt ein Mädchen mit zwei eingeflochtenen Sankt-Georgs-Bändchen im Haar aufgeregt seine Mutter, als die beiden sich am Samstag dem Leninplatz in Donezk nähern. Gerade beginnt die erste Militärparade in der Geschichte der jungen „Republik“ zu Ehren des Tages des Sieges im Jahr 1945. In den folgenden zwei Stunden verwandelt sich Donezk in eine Art Miniatur-Moskau.

Trotz des strömenden Regens kommen immer mehr Menschen. Schüler und Studenten tragen Porträts der im damaligen und heutigen Krieg Gefallenen. Es ist schwer zu beurteilen, ob die Beteiligung der jungen Leute mit dem offiziellen Erlass des „Bildungsministers der Volksrepublik Donezk“ zur obligatorischen Teilnahme an den Feiern zu tun hat.

Vor dem Lenin-Denkmal auf dem zentralen Platz der Stadt ist eine Ehrentribüne für die Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges und die Leiter der „Republik“ errichtet. 40 Veteranen sitzen hier, daneben der „Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Volksrepublik Donezk“, Alexander Sachartschenko, der die Parade abnimmt. An ihm vorbei ziehen Militärfahrzeuge, die noch vor Kurzem während der schweren Kämpfe um den Donezker Flughafen, in Debalzewe und Ilowajsk, für Schlagzeilen sorgten. Die durch die Stadt donnernden Panzer, Raketenwerfer und Luftabwehrgeschütze erzielten den gewünschten Effekt. „Diese Parade ist die erste echte Parade meines Lebens. Selbst die Kinder nehmen daran teil, und das bewusst und mit viel Elan“, sagt Natalja aus Donezk.

Es gibt an diesem Tag kaum einen Menschen, der kein Sankt-Georgs-Bändchen trägt. Aus den Lautsprechern tönen sowjetische Kriegslieder. „Dieser Tag des Sieges riecht nach Pulverrauch, diese Feier – mit den Schläfen silbergrau. Diese Freude – mit den Tränen kommt sie auf, Tag des Sieges! Tag des Sieges! Tag des Sieges!“, singen die Passanten lautstark mit. Zwei Bürgerwehrsoldaten mit Gewehren über der Schulter schleppen ein paar Kartons mit und verteilen Eis. Auf der Verpackung steht: „Hergestellt in Saratow, Russland“.

Nach der Parade geht die Feier in der Stadt weiter: mit Konzerten, Tanz und den obligatorischen 50 Gramm Wodka, der Frontration. In der Menge fallen zwei Mädchen mit riesengroßen sowjetischen Fahnen und T-Shirts mit sowjetischen Emblemen auf. Lera und Natascha sind 17, sie wollen Kita-Erzieherinnen werden. „Gerade waren die Menschen Patrioten, sie waren bereit, für ihre Heimat alles zu geben. Ich liebe Donbass, die Ukraine ist mir fremd, solche Gefühle konnte ich früher diese Gefühle gar nicht haben“, sagt die Aktivere von beiden.

Viele der Teilnehmer der Parade sind direkt von der Front gekommen. Drei junge Soldaten laufen an der Uferpromenade entlang, einer hinkt und stützt sich auf einen Gehstock. Sie gehören einem der bekanntesten Bürgerwehrbataillone der Donezker Volksrepublik an. „Heute habe ich während der Parade das Gefühl gehabt, dass dieses Land, dieses Volk, mich braucht. Alle wollen Frieden. Aber dieser Krieg wird kein Ende haben, nur einen Sieg. Wie ich diesen Sieg sehe? Wir werden bis zu den Grenzen von Donezk und Lugansk vordringen. Mindestens!“, sagt der Ältere der beiden.

Der Tag geht mit einem Feuerwerk zu Ende. Es klingt, als würde die Artillerie donnern. Die Euphorie der Siegesfeier in einem längst vergangenen Krieg lenkt die Menschen nur kurz von dem echten Krieg ab, der am Rande ihrer Stadt fortdauert.

Übersetzung aus dem Russischen: Irina Serdyuk