: Der Stoff, aus dem die Schäume sind
BAUEN Ein Fraunhofer-Institut verarbeitet Holz in neuer Weise und kreiert eine neue Öko-Dämmung
FREIBURG taz | Ob die Sahne oder eher das Backpulver Pate stehen wird, ist noch offen. Klar ist jedenfalls: Holz lässt sich aufschäumen. Das Fraunhofer-Institut für Holzforschung in Braunschweig, bekannt auch als Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI), hat Platten aus Holz entwickelt, die durch viele kleine eingeschlossene Luftblasen zum Dämmstoff werden. Damit könnten sie als Alternative zu den üblichen Kunststoffplatten bald Hausfassaden isolieren – und die Palette der natürlichen Dämmstoffe erweitern.
Bei der Herstellung wird Holz zusammen mit Wasser gemahlen, bis eine dickflüssige Masse entsteht. Wichtig ist, dass das Holz nur so grob zerkleinert wird, dass die Faserstruktur noch erhalten bleibt. Dann wird aufgeschäumt. Entweder rein physikalisch, wie man Sahne aufschlägt. Oder chemisch, ähnlich, wie Backpulver den Kuchenteig bläht. „Es funktioniert beides“, sagt WKI-Forscherin Julia Scholtyssek.
Dann muss die fluffige Pampe verfestigt werden, was in einem Ofen bei mindestens 180 Grad Celsius geschieht. In vier bis sechs Stunden härtet die Masse aus; künstliche Bindemittel sind nicht vonnöten, es reichen die holzeigenen Bindekräfte. Die Aushärtung ist von Dauer, nach der Trocknung macht erneute Nässe dem biogenen Dämmschaum nichts mehr aus.
Laut WKI sind die Holzschäume druckfest und formstabil, sie können wie andere Holzwerkstoffe bearbeitet werden und sie fusseln nicht. Das Produkt bilde kaum Staub und sei geruchsneutral, sagen die Forscher. Die Platten wiegen zwischen 40 und 180 Kilogramm je Kubikmeter, im leichtesten Fall zwar nicht mehr als Balsaholz, aber schwerer als das künstliche Polystyrol.
„Wir hoffen, in drei Jahren marktreif zu sein“, sagt Polymerchemikerin Scholtyssek. Der Preis des neuen Dämmstoffs könne dann etwa auf dem Niveau von Holzfaserdämmplatten liegen. Angesichts solcher Perspektiven verwundert es nicht, dass das WKI von „vielen Rückmeldungen aus der Industrie“ spricht, nachdem es seine Forschungsergebnisse publizierte.
Was sagt die Dämmstoffwirtschaft? Der Industrieverband Polyurethan-Hartschaum – für den der Holzschaum naturgemäß Konkurrenz wäre – hält sich noch bedeckt. Geschäftsführer Tobias Schellenberger erklärt, dass bislang „eine abschließende Bewertung in technischer oder ökologischer Hinsicht nicht möglich“ sei.
Schließlich sei manche Frage noch offen – etwa, was die Wärmedämmleistung betreffe, die Dauerhaftigkeit und die zur Herstellung notwendige Energie.
Auf manche der Fragen steht die Antwort in der Tat noch aus. Zum Energieaufwand in der Fertigung etwa könne man noch nichts sagen, räumt Forscherin Scholtyssek ein. Zur Dämmwirkung aber gibt es immerhin erste Erkenntnisse. Die liegt laut WKI zwischen jener von Polystyrol und jener von Holzfaserdämmplatten.
Beim schwietigen Thema Brandschutz ist die WKI-Wissenschaftlerin überzeugt: „Am Brandschutz wird der Holzschaum nicht scheitern.“ Denn in der Fertigung könne problemlos ein Flammschutz eingearbeitet werden, etwa durch Zusatz von Phosphaten. Grundsätzlich sei das Brandverhalten jenem von anderen Naturfaserdämmstoffen ähnlich. Im Unterschied zu manchen Kunststoffschäumen tropfe der Holzdämmstoff im Brandfall nicht ab.
Sollte sich die Technik etablieren, könnte es eines Tages sogar eine große Vielfalt von Holzschäumen geben. Zur Fertigung, heißt es am WKI, seien alle Holzarten geeignet, Laub- wie Nadelhölzer. Zudem könne man alle Teile des Baumes nutzen, eventuell seien sogar die Rinden interessant. Auch müsse man sich nicht einmal auf Holz beschränken: Aus Stroh und Hanf seien vergleichbare Schaumplatten produzierbar. BERNWARD JANZING