Neu in Neukölln

MULTIKULTI Bei der ersten Einbürgerungsfeier der Neuköllner Bürgermeisterin Franziska Giffey bürgert eine Einwanderin Einheimische ein

Es gibt ein Novum bei Franziska Giffeys erster Einbürgerungsfeier: Hier ist die Bürgermeisterin die Einwanderin – geboren in Frankfurt an der Oder in einem Land, das es jetzt nicht mehr gibt

VON ALKE WIERTH

So multikulturell ist der Saal der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung bei den üblichen Sitzungen hier nicht gefüllt: Aus mindestens 16 Ländern – etwa dem Irak und Georgien, Sierra Leone, Israel, Ungarn, Thailand und der Türkei – stammen die Menschen (oder ihre Eltern oder Großeltern), die sich am Dienstagnachmittag in dem Rathaussaal versammelt haben. Manche haben sich sehr schick gemacht, andere sind in Jogginghosen gekommen: Das ist Neukölln, und es ist Einbürgerungsfeier – die erste der neuen Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).

„Neuköllner machen“, nannte das der alte Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky und hat es gern persönlich vorgenommen. Diese Tradition will seine Nachfolgerin Giffey beibehalten – ein nicht nur symbolischer Akt der Begrüßung in einem Bezirk, in dem, wie BVV-Vorsteher Jürgen Koglin (SPD) in seiner Ansprache sagt, Menschen aus 160 Nationen zusammenleben. Neukölln sei New York, so Koglin: „Die haben die UNO, wir haben Sie.“

Wer wo herkommt, kann man bei manchem leicht erkennen, als die Hymnen der Herkunftsländer angespielt werden: etwa bei den Syrern, denen die Tränen über die Wangen laufen, wenn sie so an ihr kriegsgequältes Land erinnert werden. Den Eid auf die Verfassung, den bei Neuköllner Einbürgerungsfeiern jeder einzelne Neubürger vorliest oder spricht, tragen dann die meisten der 46 Neu-NeuköllnerInnen in akzentfreiem Deutsch vor. Sie sind in Berlin geboren, wie sich auf Nachfrage herausstellt die meisten in Neukölln. Ein Novum bei Franziska Giffeys erster Einbürgerungsfeier: Hier ist die Bürgermeisterin die Einwanderin – geboren in Frankfurt an der Oder in einem Land, das es jetzt nicht mehr gibt.

Das erwähnt die Bezirkschefin ausdrücklich in ihrer Ansprache: Dass auch sie nicht in Neukölln geboren und aufgewachsen sei, und dennoch jetzt Bürgermeisterin ist. Einen Ansporn will sie den neuen Deutschen damit geben, sich in dieser Stadt zu engagieren: „Sie werden immer mit mit Ihrem Herkunftsland verbunden sein. Aber ergreifen Sie die Chance, als BürgerInnen diese Stadt mitzugestalten.“

Auch wenn sich am Ablauf der Feier nicht viel geändert hat: „Einladender, menschlicher“ als Buschkowsky habe sie die Ansprache der neuen Bürgermeisterin empfunden, sagt die Grüne Bezirksverordnete Mahi Christians-Roshanai, die regelmäßig an den Einbürgerungsfeiern teilnimmt. „Süß und hübsch“ sei Frau Giffey, sagt einer der Neuneuköllner, der vor 17 Jahren aus der Türkei eingewandert ist: „Und sie weiß, was sie redet.“ Die Hymne seines Herkunftslandes summte er mit. Bewegt habe ihn das aber nicht, erklärt er: „Ich bin Kurde.“ Zwei strohblonde Schwestern, Töchter polnischer Einwanderer, zucken mit den Schultern: Die Hymne des Herkunftslandes ihrer Eltern kennen sie gar nicht. Auch sie sind gebürtige Neuköllnerinnen.

Am Ende ist Jürgen Koglin mit der ersten Einbürgerungsfeier seiner neuen Bürgermeisterin sehr zufrieden. Buschkowsky habe die Menschen begrüßt, sagt er: „Sie breitet die Arme aus.“