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Archiv-Artikel

Mal was Neues am Wannsee

FREIBÄDER-ERÖFFNUNG

Das Freibad als sozialer und kultureller Ort war noch nie ein reines Sportbecken

Viel war in den vergangenen Tagen von der sogenannten Event-Bude die Rede. Gemünzt war die Bezeichnung auf den Umgang mit der traditionsreichen Berliner Volksbühne. Dort wurde befürchtet, dass aus der seriösen Institution zukünftig ein Festivalladen, ein Spektakel wird. Die nächste Event-Buden-Debatte könnte den Berliner Bäder-Betrieben (BBB) blühen, die am Montag die Freibadsaison 2015 einläuteten und ein außergewöhnliches Sommerprogramm vorstellten.

Hartgesottene Schwimmer, die sich zum Zwecke der Leibesertüchtigung und aus purer Kraul-Lust in die Fluten oder Becken stürzen, dürften bei der Vorstellung des Programms durch den scheidenden BBB-Chef Ole Bested Hensing wohl auf Tauchstation gegangen sein. Denn die Bäder-Betriebe locken das Publikum ins Sommer- beziehungsweise Freibad als Ort für gute Laune, den Freizeitspaß und kulturellen Dialog.

So wird es erstmals in Berlin anlässlich des Ramadan in zwei Freibädern ein Mitternachtsschwimmen geben – Fastenbrechen und Grillen am Beckenrand für muslimische Badegäste inklusive. Und „Splashdiver“ können im Bad am Olympiastadion ihre Arschbomben-Künste zeigen. Eine Leselounge eröffnet im Strandbad Wannsee. Und, und, und … Das Wetter muss noch mitspielen, damit die Sache ein Erfolg wird.

Nun wird sicher bald die Frage kommen, ob die Berliner Sommerbäder – in denen es sowieso recht laut und spritzig zugeht, mal mit nassem Hund über dem Handtuch, mal mit dem Fußball im Picknickkorb – zum Veranstaltungsort, zur Erlebnisarena, zum rituellen Rummelplatz et cetera mutieren? Werden Menschen mit Badelatschen, in Badehose, mit Schwimmbrille und Seife, die einfach nur schwimmen wollen, zukünftig diskriminiert? Nur weil der ganze Zirkus quasi als Rettungsring für schwindende Besucherzahlen und hohe Eintrittspreise fungiert?

Falsch! Zwar sind die Ticketpreise gestiegen, das Bäder-Sanierungsprogramm nicht abgeschlossen und das Angebot nicht immer okay. Aber das Freibad als sozialer und kultureller Ort, als Spaßbude mit Eis und Coke, Sonnenmilch und Zigaretten und Feten war noch nie ein reines Sportbecken. Und wenn man jetzt dort (ein paar Mal) grillen samt arschbomben kann, ist das ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. ROLF LAUTENSCHLÄGER