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Archiv-Artikel

Das Beten hat sich gelohnt

RAW-TEMPEL Der neue Teileigentümer will das RAW-Gelände „behutsam“ entwickeln. Ein Großteil der jetzigen Kulturnutzung soll erhalten bleiben, Freiflächen werden bebaut

Was sich die Kurth-Gruppe genau unter dem Erhalt von Kultur vorstellt, ist unklar

VON MATTHIAS BOLSINGER

Wochenlang war unklar, was die Kurth-Gruppe auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain vorhat, jetzt hat sich das Göttinger Immobilien-Unternehmen zu seinen Plänen geäußert: Ein Großteil der bisherigen Kunst- und Kulturnutzung soll erhalten bleiben, bestehende Mietverträge behielten ihre Gültigkeit. Das gaben die Geschäftsführer Hans-Rudolf und Lauritz Kurth auf einer Pressekonferenz am Dienstag bekannt. Sie versprachen eine „behutsame Entwicklung“ und Transparenz.

Zudem kündigten die Geschäftsführer aber auch an, dass man Freiflächen bebauen und neues Gewerbe, zum Beispiel Start-ups, ansiedeln wolle. „Wir glauben nicht, das wir es allen recht machen können“, sagte Lauritz Kurth.

Anfang März war bekannt geworden, dass die isländische BNRE Investment ihren rund 52.000 Quadratmeter großen Teil des Geländes an die Kurth-Gruppe verkauft hat. Dabei handelt es sich um den Westteil, der an die Warschauer Straße grenzt. Auf ihm befinden sich beispielsweise die denkmalgeschützten Gebäude, die der RAW-Tempel e. V. betreibt, mehrere Clubs wie das Astra und das Cassiopeia sowie eine Skatehalle. Die Kurth-Gruppe bezahlte laut Kaufvertrag 25 Millionen Euro. Gerüchte, nach denen das Unternehmen auch den Rest des Areals aufkaufen wolle, dementierten die Geschäftsführer.

Frei verfügen kann der neue Eigentümer über das Gelände nicht. Im Juni 2014 nahm die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzbergs einen Einwohnerantrag gegen Wohnungsbau auf dem RAW-Gelände an. Demnach solle das Areal dauerhaft als Kultur- und Freizeitstandort erhalten werden. An diese Beschlusslage will sich die Kurth-Gruppe halten. In Zusammenarbeit mit den Mietern, Anliegern und dem Bezirk wolle man ein kooperatives Planungsverfahren durchführen, so Hans-Rudolf Kurth.

Wie das RAW-Gelände der Zukunft aussehen wird, ist also weiterhin nicht ganz klar. Die Kurth-Gruppe verspricht, die Baustruktur des Geländes zu erhalten, auszubessern – und zu „ergänzen“. Die „Halle 20“ etwa soll ein neues Dach bekommen. Zu Zeiten des Reichsbahnausbesserungswerks wurde sie als Radsatzdreherei genutzt, derzeit ist sie das einzige ungenutzte Gebäude auf dem insgesamt 70.000 Quadratmeter großen Gelände. „Für die Halle 20 haben wir bereits Anfragen aus dem Musikbereich“, so Hans-Rudolf Kurth. Auf den bestehenden Freiflächen sollen wohl Gewerbe- und Büroflächen entstehen. So will man dem Gelände auch tagsüber Leben einhauchen.

Was sich die Kurth-Gruppe genau unter dem Erhalt von Kultur vorstellt, blieb undeutlich. „Niemand wird vertrieben“, stellte Lauritz Kurth klar. Zumindest mittelfristig gilt das wohl auch für den RAW-Tempel. Der Verein sorgt seit 1999 für Kunst- und Kulturangebote auf dem Areal. Noch stehen Eigentümer und Verein in Verhandlungen. Mündlich sei man sich schon einig, so Lauritz Kurth. Man biete dem Verein ein Mietverhältnis zu „günstigen Konditionen“.

Doch nicht alle Künstler dürfen aufatmen. Einst betrieb der RAW-Tempel vier der denkmalgeschützten Gebäude. In Zukunft werden es nur noch zwei sein. Das ehemalige „Beamtenwohnhaus“ und das „Verwaltungsgebäude“, beide teilweise baufällig, will die Kurth-Gruppe instandsetzen und an Interessenten vermieten. Für die dortigen Werkstätten und Ateliers könnte dies das Ende sein.

Solche Planspiele stoßen bei der Initiative für den Erhalt des Kulturensemble RAW auf Kritik. Die Initiative hatte unter anderem den erfolgreichen Einwohnerantrag in die BVV eingereicht. „Wir befürchten, dass die Bürgerbeteiligung zu kurz kommt“, so Jenny Goldberg. Die Initiative fordert mehr Transparenz.