Freispruch für Höfinghoff

JUSTIZ Neonazis hatten den Abgeordneten und vier weitere Männer beschuldigt, sie in Berlin-Buch attackiert zu haben. Ihre Aussagen stellten sich jetzt aber als gelogen heraus

Der Prozess förderte eine fast endlos scheinende Reihe von Ungereimtheiten zutage

VON MALENE GÜRGEN

Schon am ersten Verhandlungstag war die Anklage ein ganzes Stück in sich zusammengebrochen – den zweiten hat sie nicht mehr überlebt. „Völlig unglaubhaft“ nennt die Richterin die Darstellungen des Pankower NPD-Vorsitzenden Christian Schmidt, auf dessen Aussagen die Anklage hauptsächlich fußte. Nachdem außerdem noch der Zeuge Daniel S. zugibt, seine belastende Aussage auf Druck eines anderen Neonazis hin zusammengelogen zu haben, ist auch für den Staatsanwalt klar: Die gemeinschaftliche schwere Körperverletzung, deren der Abgeordnete Oliver Höfinghoff und vier weitere Männer angeklagt sind, hat es nie gegeben.

Das Verfahren vor dem Kriminalgericht Moabit endet am Dienstag folglich mit einem klaren Freispruch, lediglich den Vorwurf der versuchten Sachbeschädigung gegen den Angeklagten M. will die Richterin nicht ganz fallen lassen. Hier wird sich auf eine Einstellung gegen die Zahlung von 350 Euro geeinigt.

Höfinghoff, der im Herbst 2014 aufgrund politischer Differenzen bei den Piraten ausgetreten ist, war wie den anderen Angeklagten vorgeworfen worden, den im Prozess als Nebenkläger auftretenden Neonazi Christian Schmidt sowie zwei seiner Freunde mit Bierflaschen und Fahnenstangen angegriffen zu haben. Der Vorfall sollte sich im Mai 2013 im Pankower Ortsteil Buch ereignet haben. Dort hatte Christian Schmidt die TeilnehmerInnen eines „Antifaschistischen Putzspaziergangs“, an dem sich auch Höfinghoff beteiligte, abfotografiert – vermutlich, um die Bilder im Internet zu veröffentlichen. An einem Dönerimbiss gerieten die Gruppe um Schmidt und die AktionsteilnehmerInnen aneinander.

Schmidt erstattete anschließend die Anzeige, auf die sich die Anklage stützte. Im September letzten Jahres entschied der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses, die Immunität Höfinghoffs aufzuheben, die Staatsanwaltschaft sprach von einem „hinreichenden Tatverdacht“.

Doch der Prozess selbst förderte jetzt eine fast endlos scheinende Reihe von Ungereimtheiten zutage: Die Fotos, die Christian Schmidt bei der Polizei als Beweis für seine Anschuldigungen eingereicht hatte, zeigen weder Flaschenwürfe noch Fahnenstöße. Einer der Angeklagten weilte zum Tatzeitpunkt im Urlaub in der Sächsischen Schweiz, ein anderer war ebenfalls nachgewiesenermaßen nicht in Buch zugegen. In den Aussagen Schmidts war mal von einem, mal von fünf Flaschenwürfen die Rede, die Farbe eines zur Identifizierung entscheidenden T-Shirts eines Angeklagten wechselte fröhlich von Blau zu Rot, und die angeblich durch die Angriffe zerstörte Imbisstür war in Wirklichkeit eine Woche vor der Tat bei einem Einbruch beschädigt worden.

Während sich die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer kurz hält, finden die VerteidigerInnen klare Worte: „Leider ist die Taktik der Nazis, durch Anzeigen an persönliche Daten von politischen Gegnern zu kommen, hier voll aufgegangen“, kommentiert der Anwalt Sven Richwin, sein Kollege Christian Löffelmacher nennt den Prozess eine „unglaubliche Sauerei“. Sogenannte szenekundige Polizeibeamte hätten Personen, die ihnen aus anderen Zusammenhängen bekannt seien, ohne ausreichende Indizien einfach diesem Verfahren zugeordnet.

Das vernichtendste Resümee zieht Höfinghoffs Anwalt Johannes Eisenberg: „Wenn sich die Justiz von Nazis herumführen lässt wie ein Tanzbär an der Leine, verdient sie keinerlei Respekt.“ Gegen Schmidt habe er bereits Anzeige wegen Falschaussage erstattet.

Möglicherweise sitzt der NPD-Mann also bald wieder im Gerichtssaal – dann allerdings auf der Anklagebank.