Weihnachtszeit, Warnstreikzeit

Ver.di allerorten: Im Einzelhandel droht die Gewerkschaft mit Warnstreiks. Bei den Beschäftigten der Hochschulen muss sie Gehaltskürzungen akzeptieren. Und dann noch das Elend bei Vivantes!

von RICHARD ROTHER

Das Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel droht dieses Jahr wieder in die Hose zu gehen. Nicht nur, dass die Berliner weniger Geld zur Verfügung haben, weil immer mehr Firmen kein Weihnachtsgeld zahlen – auch die Gewerkschaften könnten den Händlern einen Strich durch die Rechnung machen. Sie drohen bereits offen mit Warnstreiks in der – üblicherweise umsatzstarken – Vorweihnachtszeit, sollten bei der nächsten Tarifverhandlungsrunde am 8. Dezember keine Fortschritte erzielt werden. „Dann müssen wir uns etwas einfallen lassen“, so Ver.di-Einzelhandelsexperte Manfred Birkhahn.

Zentraler Streitpunkt in den Tarifverhandlungen für die rund 66.000 Beschäftigten der Branche sind die Zuschläge für die längeren Öffnungszeiten an Samstagen. Ver.di verlangt Zuschläge für Arbeitszeiten an allen Samstagnachmittagen, die Unternehmer lehnen dies bislang ab.

Konfliktstoff zwischen Geschäftsführung und Gewerkschaften gibt es auch beim stadteigenen Klinikkonzern Vivantes. Hier sind die Verhandlungen über eine Absenkung der Löhne und Gehälter für die rund 11.000 Beschäftigten gescheitert, bevor sie überhaupt angefangen haben. Die Gewerkschaft Ver.di habe solche Verhandlungen abgelehnt, sagte gestern Unternehmenssprecherin Fina Geschonneck. Im Unternehmen sei man darüber „sehr irritiert“, befinde man sich doch in einer finanziell schwierigen Situation. Nun müsse die Geschäftsführung über die nächsten Schritte beraten.

Wie diese aussehen könnten, ist noch völlig unklar. In solchen Fällen zum Instrumentarium gehört aber üblicherweise: Man droht betriebsbedingte Kündigungen an – oder einen Austritt aus dem Arbeitgeberverband. In diesem Fall könnte die Geschäftsführung versuchen, einen Haustarifvertrag mit den Gewerkschaften zu verhandeln, der geringere Einkommen für Ärzte, Krankenschwestern und andere Beschäftigte vorsieht. Ver.di wies die Vivantes-Vorwürfe gestern zurück. Das Unternehmen habe die Verhandlungen abgelehnt.

Auf geringere Einkommen müssen sich auch die Mitarbeiter an den Hochschulen einstellen. Der für die Hochschulen erzielte Tarifvertrag lehne sich an die Regelungen im öffentlichen Dienst an, betonten die Gewerkschaften Ver.di und GEW gestern. Damit bestehe für über 20.000 Hochschulmitarbeiter wieder tariflicher Schutz. Allerdings seien noch mit der Humboldt-Universität separate Gespräche zu führen, hieß es. Zudem stehe eine Entscheidung der Freien Universität (FU) zur Übernahme des Abschlusses aus.

Vereinbart wurde, dass betriebsbedingte Kündigungen bis 31. Dezember 2009 ausgeschlossen sind. Dafür werden ab 1. Januar 2004 Arbeitszeit und Vergütung je nach Gehaltsgruppen um 8, 10 oder 12 Prozent reduziert. Basis der Berechnung ist der bundesweite Tarifvertrag. Danach steigen Löhne und Gehälter ab 1. Januar um 3,4 Prozent, ab 1. April nochmals um 1 Prozent. Die einheitliche Wochenarbeitszeit beträgt künftig 37 Stunden. Technische Universität (TU), FU und die Technische Fachhochschule (TFH) haben im Gegenzug für 2004 und 2005 zugesagt, mindestens 250 Ausbildungsplätze bereitzustellen.

Den Beschäftigten würden „erhebliche Belastungen“ zugemutet, argumentierten die Gewerkschaften. Ein tarifloser Zustand wäre dennoch die schlechtere Alternative gewesen, da in diesem Fall betriebsbedingte Kündigungen gedroht hätten. Der Tarifvertrag stelle auch sicher, dass die Hochschulbeschäftigten im Jahr 2010 wieder zur vollen Arbeitszeit bei vollem Gehalt zurückkehren.