Klima voraus!

PIRATERIE Politik mit Spaßfaktor: Nächste Woche machen die Klimapiraten die Leinen los und nehmen Kurs auf Kopenhagen

Wer? Die Klimapiraten sind 250 Aktivisten aus ganz Deutschland, die für ein faires Klimaabkommen in Kopenhagen streiten. Dahinter stecken vor allem Mitglieder der BUND Jugend und ehemalige Teilnehmer des entwicklungspolitischen Austauschprogramms ASA. Eigentlich kann aber jeder Interessierte Klimapirat werden. Die Website der Kampagne ist www.klimapiraten.net.

Was? Am 5. Dezember legt eines der Klimapiraten-Schiffe, die „Lovis“ in Greifswald ab, einen Tag danach stößt der zweite Segler dazu, die „Petrine“. An Bord werden 50 Klimapiraten nach Kopenhagen sein, um dort für ein faires Abkommen und gegen den Bau eines Kohlekraftwerks im mecklenburg-vorpommerschen Lubmin zu protestieren. Wie lange ihre Reise dauert, hängt ganz vom Wind ab.

VON MEIKE LAAFF

Es wird wohl ein ziemlich beeindruckendes Bild sein, wenn die zwei großen Traditionssegelschiffe der Klimapiraten in den Hafen von Kopenhagen einlaufen – zwischen all den Motorjachten und Containerschiffen.

Wann genau das sein wird, wann also die fünfzig Klimaaktivisten an Bord die dänische Hauptstadt erreichen, kann Organisatorin Frauke Wiese noch nicht genau sagen. Wind und Wetter werden darüber entscheiden, wie lange die Reise von Greifswald zu den internationalen Klimaverhandlungen dauert. Klar ist nur: Pünktlich zum großen Demowochenende wollen sie da sein. Und sie kommen, um sich zu beschweren.

Schon die Abreise wird eine Demonstration – schließlich steuern sie CO2-neutral jene internationale Konferenz an, die das Klima retten soll, aber deren Delegierte mehrheitlich per Flugzeug kommen. „Selber Alternativen leben“ nennt Frauke Wiese das.

Die Schiffsreise ist der Höhepunkt der Klimapiraten-Kampagne: Seit dem Sommer trommeln sie zum Kampf gegen die globale Erwärmung, sie wollen zeigen, dass es eine junge, kreative Klimaschutzbewegung gibt. Dafür haben am Weltklimatag im Oktober 350 Demonstranten mit Merkel-Masken das Brandenburger Tor gestürmt. Dafür sind sie im September mit Flößen zum Schweriner Schloss gefahren. Dafür haben sie Berliner Partygänger mit der Klimaschutzfrage konfrontiert. Sie setzen halt, anders als die traditionell Ökobewegten, auf unkonventionelle Aktionen. „Protest darf auch Spaß machen“, erklärt Wiese diesen Ansatz.

Projekt Kopenhagen

Gemeinsam mit 250 Mitstreitern engagiert sich die 26-Jährige bei den Klimapiraten. Ihr Geld verdient sie als Projektmanagerin für Energiewirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe. Viele von Wieses Mitstreitern kommen aus der BUND Jugend oder dem ASA-Programm, einem entwicklungspolitischen Jugendaustausch. Wiese selbst engagiert sich auf der „Lovis“, einem der Schiffe, dem 37 Meter langen Zweimaster, mit dem sie am 5. Dezember Richtung Kopenhagen aufbrechen. Man kann sich gut vorstellen, wie sie kräftig an den Tauen zerrt.

Die Idee, unter der Piratenflagge nach Kopenhagen zu fahren, entstand auf einem Crewtörn der „Lovis“, erzählt Frauke Wiese. Im November 2008 haben sie bei einem Tee in der Schiffsmesse zusammengessessen und herumgesponnen, was sie im kommenden Jahr anstellen wollen. Nach Kopenhagen segeln, zu den internationalen Klimaverhandlungen, meinte einer. Energieingenieurin Wiese, die einen in Nullkommanichts mit Zahlenkolonnen zu CO2-Reduktionszielen schwindelig rechnen kann, war begeistert. Sie begann, Bekannte anzumailen, sie für das Projekt zu begeistern. Mit Erfolg – es fanden sich immer mehr Mitstreiter, aus der Idee, Segeln und Klimaschutz zu verbinden, entstanden die Klimapiraten.

Jetzt, ein Jahr später, sitzt das Navigationsteam in Wieses Berliner WG-Wohnküche. Die Stimmung erinnert an Referatstreffen für die Uni: Es gibt Tee, eine Chipstüte wandert von Hand zu Hand, jeder sagt seine Meinung, per Skype ist ein Mitstreiter aus Greifswald zugeschaltet. Illusionen macht sich hier kaum jemand: Es wird verdammt schwer werden, in Kopenhagen Aufmerksamkeit zu erregen. Also beschließen sie, lieber die Abfahrt ihrer Segelschiffe in Greifswald groß zu inszenieren. Und kurz vor dem Start der Verhandlungen in Kopenhagen noch einmal auf „Nörbi“, Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), mit einer witzigen Aktion einzuwirken.

Und natürlich auf die Belagerung der „Dong“-Niederlassung in Kopenhagen. Dong, das ist ein dänischer Energieversorger. Daheim hat er ein gutes, windkraftfreundliches Image, im Ausland plant er neue Kohlekraftwerke. Zum Beispiel in Lubmin – dort, wo das Klimapiratenschiff „Lovis“ regelmäßig vorbeischippert. Darum haben es sich die Klimapiraten zum Ziel gemacht, nicht nur irgendwie für das globale Klima zu kämpfen, sondern ganz konkret gegen das Kohlekraftwerk.

Dafür haben sie sich im Sommer auf den Greifswalder Marktplatz gestellt und weiße Handtücher geschwenkt – schließlich lebt Mecklenburg-Vorpommern von seinen Badegästen. Sie haben SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering aus seiner Schweriner Staatskanzlei gelockt und öffentlich mit ihm diskutiert. Inzwischen wackelt der Standort Lubmin, an zwei anderen Standorten hat Dong seine Kraftwerksbaupläne schon begraben.

In Kopenhagen wollen die Klimapiraten weiter Druck machen, und zwar vor der Firmenvertretung von Dong. „Damit bringen wir die Probleme von zu Hause mit nach Kopenhagen“, sagt Frauke Wiese. „Das muss man doch machen, um guten Gewissens ein faires internationales Klimaabkommen zu fordern.“ Global denken, lokal handeln also – aber diese abgedroschene Wendung würde Wiese nicht über die Lippen kommen.

Ihrem Organisationskollegen Johannes Krause wäre es lieber gewesen, sich auf ein einziges Kampagnenziel zu konzentrieren. Durchsetzen konnte er sich nicht, aber damit hat er sich mittlerweile arrangiert. Der 32-Jährige hat lange Zeit für das ASA-Programm Projekte organisiert und Kampagnen auf die Beine gestellt. Klimaprofi ist er nicht, aber ein ökobewusster Typ mit einem Kühlschrank voller Bioprodukte, einem Dreitagebart und Sensibilität für die Klimafrage. Geld verdient er als Freiberufler: Er gibt Seminare, managt für die Klimapiraten die Finanzen, moderiert ihre Organisationstreffen. Leuten wie ihm ist es zu verdanken, dass das Fundraising klappt und dass die Homepage der Klimapiraten so professionell aussieht, als würde eine dicke Agentur dahinterstehen – und nicht motivierte Idealisten zwischen Mitte zwanzig und Mitte dreißig.

Ideologisches Knirschen

Doch das schmeckt nicht jedem. Schließlich ist es erklärtes Ziel der Klimapiraten, „eine Kampagne zum Mitmachen zu machen, an der man wachsen kann“, wie Krause das formuliert. Eben anders als bei Greenpeace oder anderen Profi-Aktivisten.

Manchmal knirscht es deswegen zwischen Leuten wie ihm und den Partizipationsliebhabern im Projekt. Beim Greifswalder Workshop im Sommer etwa arbeiteten Teilnehmer an einem Logo für die Klimapiraten. Für die Tonne – in Berlin saß längst ein Webdesigner daran. „Es gab auch schon drei Klimapiraten, die haben ganz offiziell ihre Säbel niedergelegt“, sagt Krause. Seitdem bemüht er sich um Kompromisse.

Bei allem Engagement: Viel erwarten die Klimapiraten von den Verhandlungen in Kopenhagen nicht. „Ich rechne schon fast damit, dass die Konferenz floppt“, sagt Frauke Wiese. Trotzdem hat sie keine Angst davor, enttäuscht aus Kopenhagen zurückzufahren: „Die Aufmerksamkeit, die wir für Klimathemen schaffen, die Leidenschaft der Leute bei den Klimapiraten, das ist es auf jeden Fall wert.“