: Der gefürchtetste Profikiller der Westküste
KRIMI Wenn Robert De Niro auf seine alten Tage noch einmal das Surfen lernt, dann für dieses Buch: Don Winslows Mafiaroman „Frankie Machine“
Frank Machianno ist ein Mann, von dem man eine Menge lernen kann. Zum Beispiel, dass der Kaffee genau vier Minuten zu ziehen hat, bevor der Satz zu Boden gedrückt wird; perfektes Timing für perfekten Genuss. Für manche allerdings ist perfektes Timing weitaus mehr, nämlich überlebenswichtig. Und auch wenn es scheint, als würde Frank als Besitzer eines Angelladens in Kalifornien eine beschauliche Existenz führen, so lernt man bald, dass der Schein trügt. Franks Vier-Minuten-Manie steht in einem größeren Zusammenhang; denn eigentlich ist er „Frankie Machine“, der ehemals gefürchtetste Profikiller des gefürchtetsten Mafiaclans der Westküste. Und seine Vergangenheit ist dabei, ihn einzuholen.
Don Winslow, zweifellos die edelste Feder unter den Autoren, die Suhrkamp für seine Krimireihe gewinnen konnte, hat mit „Pacific Private“ den Surferkrimi als literarische Kategorie erfunden. Auch der alternde Titelheld von „Frankie Machine“ ist passionierter Surfer, doch angesichts einer sich erbarmungslos schürzenden Handlung bleibt für sportliche Hobbys bald keine Zeit mehr. „Frankie Machine“ ist ein reinblütiger Mafiathriller, der nah am Wasser spielt.
Dass große Mafiageschichten mit ihrer Melange aus Gewalt, Tod, Liebe und Ehre immer auch große Schicksalserzählungen sind und viel mit der antiken Tragödie gemein haben, weiß man spätestens seit Puzios bzw. Coppolas „Der Pate“. Dass nach dem „Paten“ jede Mafiaerzählung wirken muss wie ein bloßes Zitat, versteht sich von selbst. Winslow geht offensiv mit dieser Gefahr um. Seine Mobsters kennen den „Paten“ alle auswendig, zitieren verschwenderisch daraus und setzen ihre eigenen Handlungen in Bezug zu den Filmfiguren. Das augenzwinkernde Spiel mit der großen Genrevorlage aber funktioniert natürlich nur, weil es eigentlich unnötig ist. Weil Winslows Roman mit seinem perfekten Timing, seiner superpräzisen Sprache und seinen Figuren, die gerade so hauchzart überzeichnet sind, dass sie immer noch kurz unterhalb der Ironie-Ebene schweben, literarisch auch für sich selber steht. Michael Mann hat „Frankie Machine“ übrigens mit Robert De Niro in der Hauptrolle verfilmt. Ob etwa der alte Method Actor dafür noch das Surfen erlernt hat?
KATHARINA GRANZIN
■ Don Winslow: „Frankie Machine“. Aus dem Englischen von Chris Hirte. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2009, 365 Seiten, 8,95 Euro