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Archiv-Artikel

Der nächste Erlöser, bitte!

PRESS-SCHLAG Gibt es noch einen Verein in Europa, der groß genug für Jürgen Klopp ist? Wird Thomas Tuchel der kommende Messias?

Real Madrid ist für Klopp gerade noch so zumutbar, wenn die Gage stimmt

Borussia Dortmund mag ein großer Verein sein. Aber Jürgen Klopp ist viel, viel größer. Selten hat in der Bundesliga-Geschichte ein Verein mit einem derart satten Budget eine Saison derart in den Sand gesetzt wie der BVB. Dass dieser Umstand irgendetwas mit dem Trainer zu tun haben könnte, das wagt in Dortmund keiner auszusprechen. Wer will sich schon dem Vorwurf der Gotteslästerung aussetzen.

Welcher Trainer kann schon nach 13 Bundesligapleiten behaupten, sein Name sei einfach zu groß geworden im Verein. Gibt es überhaupt einen Klub in Europa, der groß genug ist für diesen formidablen Klopp? Angeblich buhlen alle Schwergewichte des europäischen Fußballs um den Mann, der vor Kurzem noch so konsequent Kurs Richtung Zweite Liga nahm. Manchester City, Arsenal, Liverpool, Neapel, AC Mailand und natürlich auch der FC Barcelona sowie Real Madrid sollen an ihm interessiert sein. Angesichts dieser Aufgeregtheit hat Arsène Wenger, der Trainer des FC Arsenal, es noch recht vorsichtig formuliert: „Ich finde den Zirkus um ihn etwas lächerlich.“

Dass Klopp sich selbst für so bedeutsam hält, kann man ihm nicht verdenken. Was er gespiegelt bekommt, ist durchaus beachtlich. Veritable neue Einschnitte in die Bürgerrechte (Vorratsdatenspeicherung) oder Hunderte Flüchtlingstote im Mittelmeer, keine Meldung kann es auf den meisten Titelseiten mit seiner Ankündigung aufnehmen, aus reinen Vernunftsgründen bald nicht mehr für den BVB arbeiten zu können.

Spätestens seit der Ankunft von Pep Guardiola bei Bayern München nimmt die Heiligenverehrung von Fußballtrainern immer absurdere Züge an. Guardiola und Klopp mögen ja noch dank ihrer zahlreichen Erfolge auf ewig Immunität gegen Kritik genießen, mittlerweile bedarf es aber nicht einmal solcher Meriten, um überall vergöttert zu werden. In Thomas Tuchel, der mit Mainz 05 in seinen letzten drei Amtsjahren dreimal im Bundesligamittelfeld landete, sehen schon manchen Borussen-Fans die Reinkarnation von Jürgen Klopp. Der HSV sah in ihm eher Pep den Zweiten und offerierte Tuchel ein Gehaltsangebot in entsprechender Größenordnung. Schließlich hatte er wie Guardiola ein Sabbatical gemacht. Im Nachhinein betrachtet ein Clou. Die zwölf Monate Nichtstun haben seinen Marktwert noch einmal gewaltig in die Höhe schnellen lassen. Beim RB Leipzig hat man gar den bis dahin äußerst erfolgreich arbeitenden Alexander Zorniger vor die Tür gesetzt, um noch enger auf Tuchfühlung mit Tuchel gehen zu können. Wie man inzwischen weiß, vergeblich! Nun fehlt dem Klub ein Plan B. Vielleicht warnt auch deshalb Dortmunds Vereinschef Hans-Joachim Watzke davor, „zu eindimensional in Richtung Tuchel zu denken“. Es ist in der Tat erstaunlich, wie viele Klubs sich mit dem Erlöser Tuchel ins Paradies träumen.

Dem Modell des Sabbaticals zur persönlichen Wertsteigerung werden vermutlich bald auch andere Bundesligatrainer folgen. Nach einem Jahr Pause werden Markus Weinzierl vom FC Augsburg und Christian Streich vom SC Freiburg auch für Bayer Leverkusen und den VfL Wolfsburg so richtig interessant werden. Nur Jürgen Klopp hat erkannt, dass er schon das Ende der Fahnenstange erreicht hat. Real Madrid ist für den Coach des Tabellenzehnten gerade noch so zumutbar, wenn die Gage stimmt.

JOHANNES KOPP