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Archiv-Artikel

Deutschland lässt grüßen

betr.: „In der Zivilisationsfalle. Eine Kleinstadt in Niedersachsen hat ein Generationenproblem“, taz vom 21. 12. 07

Ist das Bedürfnis, sich zu treffen, nicht die sozialste aller menschlichen Regungen? Und natürlich an einem Ort, wo man unter sich ist und kein Idiot einen kontrolliert oder behelligt, oder das Bier drei Euro und der Saft mit Schuss das Doppelte kostet.

Wo in aller Welt sollen Jugendliche sich denn treffen? In einem Jugendzentrum, wo es nicht mal Bier gibt und das um acht schließt? Bei den Eltern, die schon die Nase rümpfen, wenn man sich einen Joint ansteckt, und ansonsten betrunken vorm Fernseher hängen? Wo in aller Welt sollen Jugendliche sich denn ungestört übers Ficken, Saufen, Kiffen und die dämlichen Eltern unterhalten? Und was ist lungern (apropos: das schicke Wort Lounge kommt davon)?

Nicht zu fassen, wie schnell Erwachsene ihre Jugend vergessen, ganz zu schweigen von ihrer Kindheit, an die sich keiner von ihnen erinnert. Ist der Kinderspielplatz vielleicht durch seine Erinnerung an eine vielleicht noch relativ unbeschwerte Kindheit für „die Jugendlichen“ einladend? Schließlich ist er abends vakant, wen sollte es stören? Ist der „Kinderspielplatz“ als mehr denn kläglicher Ersatz für einstige Spielwiesen, -felder und -wälder schon demaskierend und Anklage genug, will man nun Jugendliche gar wie Moskitos oder Ratten mit Schallgeneratoren vertreiben! Wen wundert es da, wenn die Jungs nach ein oder zwei Bier durch Pissen und Demolieren ihrer Wut aufs „System“ der Erwachsenen Ausdruck verleihen?

Was würde schließlich gegen einen „Jugendlichenspielplatz“ sprechen, der ihnen allein zusteht, mit Sitzgelegenheiten, Hecke und Büschen zum Pinkeln und mehr, und selbstverständlich ohne Aufpasser, Schnüffler, Kamera, Stacheldraht oder noch Schlimmerem?

GERHARD RUDOLF, Bad Homburg vor der Höhe