: Gefesselte Leichen im Fluss Kongo gefunden
UN-Mission im Kongo wirft Regierung summarische Hinrichtungen beim Kampf gegen Oppositionsführer Bemba in Kinshasa im März 2007 vor. Veröffentlichung des Berichts markiert kritischere Haltung gegenüber Präsident Kabila
In der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma hat gestern eine Friedenskonferenz für die Kivu-Provinzen im Osten der Demokratischen Republik Kongo begonnen. Die Konferenz, die eine Lösung für die Kriege dieser Region finden soll, dauert bis zum 14. Januar. Es wird erwartet, dass sie einen Rahmen für Friedensverhandlungen mit den Rebellen des Tutsi-Generals Laurent Nkunda vereinbart, dessen Kämpfer der Regierungsarmee verheerende Niederlagen zugefügt haben. Nkundas Bewegung „Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes“ (CNDP) sagte am Samstag ihre Teilnahme an den Beratungen zu. D.J.
BERLIN taz ■ Die Präsidialgarde von Staatschef Joseph Kabila in der Demokratischen Republik Kongo hat in der Hauptstadt Kinshasa Massenhinrichtungen verübt. Diesen Vorwurf erhebt die UN-Mission im Kongo (Monuc) in einem am Freitag veröffentlichten Untersuchungsbericht zu den Kämpfen zwischen Kabilas Garde und Truppen des Oppositionsführers Jean-Pierre Bemba in Kinshasa zwischen dem 22. und 24. März 2007.
Bemba hatte im Oktober 2006 die zweite Runde der Präsidentenwahlen im Kongo knapp gegen Kabila verloren und lebte danach unter Schutz seiner eigenen Garde in Kinshasa. „Rund 300 Menschen verloren ihr Leben bei den Gefechten und der Zeit danach“, heißt es in dem UN-Bericht. Es gebe „glaubwürdige“ Berichte über mindestens 40 summarische Hinrichtungen und „über die Existenz von Massengräbern sowie Beweise über Leichen unidentifizierter Opfer, zivil und militärisch, die im Fluss Kongo gefunden wurden – einige gefesselt und mit verbundenen Augen“.
Die Kämpfe in Kinshasa hatten am 22. März rund um Bembas Residenz am Kongo begonnen. Um nicht von der Präsidialgarde eingekesselt zu werden, besetzte die Bemba-Garde am Folgetag Teile des Zentrums und den Hafen von Kinshasa und wurde bis zum 25. März in Straßenkämpfen aufgerieben, bis hinein in die Außenviertel von Kinshasa. Die Suche nach versprengten Bemba-Kämpfern ging eine Woche lang weiter.
Menschenrechtler sprachen damals von über 200 Toten, die deutsche Botschaft von 600 Toten und Verletzten. Bemba rettete sich in die südafrikanische Botschaft und floh ins Exil nach Portugal, wo er bis heute lebt. Von seinen Gardisten hat kaum einer überlebt.
Die Gesamtzahl der Opfer könnte „viel höher sein“ als 300, schätzen die UN-Ermittler, die ihre Arbeit im Mai abschlossen. Ihnen sei von 100 Hinrichtungen berichtet worden, aber die Regierung habe ihnen den Zugang zu den möglichen Tatorten verweigert – Armeelager und die einstige Residenz Bembas.
Doch die UN-Ermittler entdeckten laut dem Bericht selbst 30 Leichen im Fluss Kongo, flussabwärts von Kinshasa an einem Wasserfall, sowie frische Massengräber auf zwei Friedhöfen. Beide Seiten, so der UN-Bericht, hätten schwere Waffen in Wohngebieten eingesetzt und geplündert. Nach ihrem Sieg hätten die Regierungstruppen dann mutmaßliche Oppositionsanhänger verfolgt. „Über 200 Menschen wurden außerhalb jedes rechtlichen Verfahrens verhaftet, oft aus dem Grund, dass die Person aus der Provinz Equateur [Bembas Heimatprovinz] kam.“
Diese UN-Erkenntnisse sind wichtig, weil zum Beispiel in Deutschland bislang Asylanträge von Kongolesen, die Verfolgung nach den Kämpfen vom März 2007 als Fluchtgrund angaben, abgewiesen werden. Gefordert werden in dem Bericht eine „komplette und neutrale gerichtliche Untersuchung“ und die Freilassung aller noch inhaftierten Oppositionellen – Bemba sprach in seiner Neujahrsbotschaft 2008 von 540.
Der UN-Bericht kursiert seit Wochen, wurde aber bislang zurückgehalten. Seine Veröffentlichung ist der erste Akt des neuen Monuc-Chefs Alan Doss, ein Brite, der zum Jahreswechsel den US-Amerikaner William Swing ablöste. Dieser hatte die Mission seit vier Jahren geführt, und ihm wurde eine übergroße Nähe zu Kabila nachgesagt. Großbritannien fährt eine kritischere Politik gegenüber Kongos Regierung.
Der Termin der Veröffentlichung, 4. Januar, zeugt von einem Sinn für historische Ironie. An diesem Tag fanden 1959 die ersten Massenproteste in Kinshasas Geschichte statt – ein Aufstand gegen die belgische Kolonialherrschaft, dessen Niederschlagung hunderte Tote forderte. Kongolesische Nationalisten begehen den 4. Januar bis heute als Gedenktag. Kongos Regierung wies die UN-Vorwürfe zurück. Niemand sei hingerichtet worden, sagte Kabilas Sprecher Kudura Kasongo. Die Armee habe auch keine exzessive Gewalt angewandt, sondern es waren „die Waffen, die sie angesichts der Lage für angemessen hielt“. DOMINIC JOHNSON