: Auf den Hund gekommen
Ein Jahr auf Bewährung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung bekommt ein ehemaliger Drogenabhängiger, der vergeblich versucht hat, einen Hundesalon zu überfallen
von JAN ZIER
Warum seine Wahl am Ende auf „Bossi’s Hundesalon“ fiel, kann Serge B. heute nicht mehr so genau sagen. Ganz artig sitzt der 25-Jährige in Saal 551 des Amtsgerichts – Brust raus, Bauch rein – wie ein Musterschüler fast, mit weißem Zopfmusterpulli angetan. Mit leiser Stimme spricht er dann, kaum hörbar, übertönt vom Tastaturklappern einer Gerichtsdienerin. Nein, viel könne er dazu nicht sagen, ja, sich überhaupt nicht so recht erinnern. Die Anklage lautet auf versuchte schwere räuberische Erpressung.
Von langer Hand war sein Coup jedenfalls nicht geplant. Aber eine Sturmhaube hat er sich dann doch noch beschafft, dazu eine schwarze Spielzeugpistole, die Schüssel zu Vaters Auto, nur Führerschein hatte er keinen mehr. Seines Drogenkonsums wegen, Heroin, Kokain, die harten Sachen eben. Kurz vor Ladenschluss fuhr Herr B. dann bei „Bossi’s“ vor, stürmte mit einem „Los, Geld her, oder ich knall dich ab“ den Hundesalon. „Ich hatte das Gefühl“, sagt B., „er nimmt mich nicht recht ernst.“
Ladeninhaber Wolfgang Bossmann erwischte es beim Fließen legen. Ob die Waffe echt war oder nicht – sicher war er sich da nicht. Der Hundesalon war an jenem 30. Juni 2007 eigentlich geschlossen, der Renovierungsarbeiten wegen. Die Kasse stand also leer. Und offen.
All das hätte wohl auch Serge B. sehen können, von außen schon, doch er litt unter Entzugserscheinungen, „schob einen Affen“, wie die Junkies das nennen. Er war abhängig und brauchte das Geld. „Mach die Kasse auf“, schrie er also, mehrmals, so steht es zumindest in der Akte. Bossmann bedeutete ihm, sich selbst ein Bild zu machen. B. flüchtete ohne Beute.
„Das hat mir geholfen, wieder klar im Kopf zu werden“, sagt B. heute. Und dass er daraufhin „kalt“ entzogen habe, zu Hause, hinter elterlich verschlossenen Türen, ohne Therapie. Völlig „clean“ sei er seither, lungere nicht mehr auf der Straße herum, arbeite wieder, mache eine Ausbildung zum Metallbauer, habe eine neue Freundin, und sich, wie er versichert, auch von den „so genannten Freunden“ aus der alten Drogenszene verabschiedet. Jetzt sagt Serge B. Sätze wie: „Mit Drogen lebt man nicht, man existiert nur.“
Auch der Staatsanwalt hat da ein Einsehen, bemüht sich deshalb um ein Plädoyer, das mit einer Bewährungsstrafe auskommt. Schließlich drohe durchaus ein Rückfall, und im Knast, sagt Verteidiger Ralf von Minden, seien ja zwei Drittel aller Insassen drogenabhängig. Ein minderschwerer Fall käme bei Herrn B. zwar nicht in Frage, findet der Staatsanwalt, wohl aber verminderte Schuldfähigkeit. Am Ende kommt B., nicht vorbestraft, mit einem Jahr auf Bewährung davon. Und ohne seine Spielzeugpistole. Ob er bereit sei, auf deren Aushändigung zu verzichten, wird B. vom Anklagevertreter gefragt. „Ja, ja.“ Aber er weiß ohnehin nicht mehr, wo er sie überhaupt her hatte.