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Archiv-Artikel

We don’t need no education

Das „british schools film festival“ macht mit fünf Originalfassungen Station in Bremen

Pubertierende Jungen schlagen auf der Straße mit äußerster Gewalt Passanten zusammen, denen sie zufällig begegnet sind. Die Außenseiterin in einer Schulklasse wird von einer Mädchengang gemobbt und begeht Selbstmord. Eine Fünfzehnjährige wird ungewollt schwanger und ihre gleichaltrige Freundin verkauft ihren Körper an ältere Männer, damit sie sich Drogen und Klamotten leisten kann. Dies ist das Bild, das in den Medien gerade von den Jugendlichen gezeichnet wird, und zwar nicht nur in Deutschland, wie ganz ähnlich gelagerte Skandalgeschichten aus den USA, Frankreich und Großbritannien belegen. Aus London häufen sich zum Beispiel die Berichte über Heranwachsende, die von rivalisierenden Gangmitgliedern auf offener Straße erschossen werden. Die oben stehende Aufzählung ist im Grunde schon der Plot des britischen Teenager-Dramas „Kidulthood“, dessen Titel übrigens auch englischsprachige Kritiker irritiert, die ihn „plump“ (The Observer) oder ein „hoffnungslos auf den Jugendmarkt zielendes Etikett“ (Time Out) nennen. Der Spielfilm aus dem letzten Jahr ist in Deutschland nie in die Kinos gekommen, und damit ist den Cineasten auch wahrhaftig kein Meisterwerk vorenthalten worden. Das Regiedebüt des Schauspielers Noel Clark ist plakativ und sensationsheischend und sollte eher als Dokument angesehen werden.

Als solches ist der Spielfilm aber hochinteressant und passt deswegen ideal in das „british schools filmfestival“, das von der AG Kino-Gilde auf eine Tour durch Filmkunsttheater des Landes geschickt wird, und in dieser Woche in den Bremer Kinos Schauburg, Gondel und Atlantis stattfindet. Mit „Kidulthood“, dessen empfohlene Altersbeschränkung wegen einiger Gewaltszenen und Obszönitäten von den Veranstaltern auf 16 Jahre festgesetzt wurde, wird der herrschende Zeitgeist illustriert, von dem er selbst ja auch ein glitzernder Teil ist. In ihm kann man hören, wie zurzeit gerade Fünfzehnjährige in London miteinander reden, und für hiesige EnglischlehrerInnen dürfte es eine Herausforderung sein, dieses Argot zuerst selbst zu verstehen, und dann ihren SchülerInnen zu vermitteln.

Alle fünf Filme der Reihe werden natürlich in den Originalfassungen mit Untertiteln gezeigt, und die drei Kurzfilme mit den Knetfiguren Wallace & Gromit sind dabei auch schon für die Anfängerklassen geeignet. In „East is East“ wird dagegen ein östlicher Akzent gesprochen, denn diese Komödie spielt unter Pakistanis, die sich in Großbritannien angesiedelt haben, und in denen die Migranten der zweiten Generation sich gegen die Traditionen und religiösen Gebote ihrer Eltern auflehnen. Auch in „Bride and Prejudice“ sind die Akzente recht würzig, und dies gibt dem Film eine ganz eigene Ironie, denn die Regisseurin Gurinder Chadha hat hier den Roman von Jane Austen „Stolz und Vorurteil“ in eine multikulturelle Gesellschaft transponiert, so dass die amourösen Verwicklungen zwischen der selbstbewussten Jaya und dem Snob William Darcy im zeitgenössischen Bombay, London und New York im Stil eines Bollywood-Musicals ausgetragen werden. Der Gewinner des Bremer Filmpreises 2006 Ken Loach bekam im gleichen Jahr auch die Goldene Palme von Cannes für seinen Film „The Wind That Shakes The Barley“, in dem er die Gründungsgeschichte der IRA im Irland der 20er Jahre erzählt. Ein kompromisslos politischer und parteiischer Film, bei dem sich die Schulstunden mit der Nachbereitung wohl eher um den Inhalt als um die Sprache drehen werden. Wilfried Hippen