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Archiv-Artikel

Jukebox

Traurige Sänger geben Gas auf der Überholspur

Eine Konstante im Leben ist der Tod, der damit – wie alle existenziellen Dinge – auch dem Pop und seiner Geschichte fest eingeschrieben ist. In seinen Songs kümmert sich Pop gern um das Ableben. Auch seine Protagonisten sind dem nicht unbedingt abgeneigt. War früher (als alles besser war) vielleicht sogar noch intensiver der Fall. Denn inzwischen ist Pop das generationenübergreifende Spielfeld, auf dem halt auch viele Menschen mitmachen, die sich dem Tod eigentlich nicht stellen wollen. Das sind zumeist die Älteren. Die Jugend aber ist an Grenzerfahrungen immer interessiert. Sie muss alles erst selbst ausprobieren. Das endet manchmal fatal. Auf dem Weg in die Gesellschaft kann man bei den Initiationsriten auch von der Strecke abkommen. Beim exzessiven Autofahren etwa. Jugendlichen Rasern wurde – als Pop noch dezidiert Jugendmusik war – in den Sechzigern das Genre der Autosongs geschenkt. Mit Liedern über Verkehrsunfälle als morbider Unterabteilung. „Dead Man’s Curve“ hieß 1964 ein Hit von Jan & Dean.

Auch der Suizid ist ein juveniles Phänomen. Die meist noch eher jungen Popmusiker, ihrer Vorbildrolle bewusst, machen da gern mit. Es gilt das beherzte Motto: Live fast, die young. In der vergnüglichen, von Greil Marcus zusammengestellten Liste der wichtigsten Rocktoten der Siebziger (in seinem Reader „Im faschistischen Badezimmer“) finden sich darunter natürlich auch die Toten um das große J, also Janis Joplin, Jim Morrison und ganz oben Jimi Hendrix. Wobei die jedoch mit ihrem Lebensstil den Tod nur billigend in Kauf genommen haben. Die wirklichen Streber kommen erst bei der Fortschreibung dieser Liste.

Da ist dann Ian Curtis, trauriger Sänger der grundtraurigen Joy Division. Erhängte sich am 18. Mai 1980. Gesundheitliche Probleme, private Schwierigkeiten. Was einem gerade ja in dem Film „Control“ über Curtis’ Leben vor Augen geführt wird. Und Kurt Cobain. Erschoss sich am 5. April 1994 mit der Schrotflinte. Gesundheitliche Probleme. Drogen. Richey James Edward von den Manic Street Preachers verschwand am 1. Februar 1995. Ziemlich sicher Selbstmord. Depressive Schübe, Autoaggression. Die erste Single der Band hieß „Suicide Alley“. Und Elliott Smith. Trauriger Sänger. Starb am 21. Oktober 2003 mit Stichverletzungen an der Brust. Wurde als Suizid deklariert. Depressionen. Drogen.

Selbstmord unter Musikern scheint ein männlicher Wettkampfsport zu sein.

Blöde Jungs. THOMAS MAUCH