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Archiv-Artikel

BERLINER PLATTEN Keine Kompromisse: Der Trompeter Paul Brody macht mit Sadawi und with a little help from John Zorn einen Beitrag zur Radical Jewish Culture

Erstens muss gleich gesagt sein, dass man sich eigentlich alle bei dem Label Tzadik erscheinenden Alben ohne umständliche Prüfung ruhig zulegen kann, wenn man nur wirklich an Musik interessiert ist und nicht an musikalischen Accessoires, an Lifestyle-Begleitgeräuschen oder Kuschelkompilationen für den geruhsamen Feierabend. Weil das sind dann so Dinge, die John Zorn eher weniger interessieren, den New Yorker Downtown-Zampano für elektrisierende Musik, der neben seiner eigenen recht umfangreichen musikalischen Produktion eben auch noch das Label Tzadik betreibt. Und weil Paul Brodys mittlerweile drittes Album mit Sadawi wieder bei Tzadik herauskommt, gilt zweitens natürlich gleich wieder das unter „Erstens“ Vermerkte.

„For The Moment“ erscheint dabei in der Tzadik-Reihe „Radical Jewish Culture“, musikalisches Kernbekenntnis von John Zorn, der sich seit den 90ern intensiv mit seiner jüdischen Herkunft auseinandersetzt.

Paul Brody wuchs in San Francisco in einer jüdischen Musikerfamilie auf. Sein Vater stammte von russischen Einwanderern ab, seine Mutter floh vor den Nazis aus Österreich in die Staaten, und Brody selbst hatte nach einem mehrmonatigen Engagement in der Duke Ellington Revue, mit der er durch Europa tourte, den alten Kontinent so ins Herz geschlossen, dass er dort auch leben wollte. Seit über einem Jahrzehnt lautet Brodys Heimadresse nun Berlin. In mehreren Projekten macht er Musik mit diversen Zielrichtungen. Mit Sadawi ist es – radical jewish culture – eben Klezmer. Oder eher: Klezmer, aufgeführt nach den Spielregeln von Jazz, der Stimmung nach und in der musikalischen Raumaufteilung. So wie sich die Musiker gegenseitig zuspielen oder sich kurze Soli herausarbeiten (wobei Brody sich mit seiner Trompete keineswegs gegenüber dem Rest der Band in den Vordergrund drängelt). Bei aller rhythmischen Agitation will man hier aber nicht aufspringen, sondern sich lieber noch einmal mit den Ohren genauer in die Musik hineinknien, um zu erforschen, wie geschickt die Arrangements geschichtet sind. Kunstfertig werden die avancierten Rockmusikhörer und die etwas bescheideneren Experimentalmusikhörer und die E-Musikhörer sowieso immer mitgedacht, ohne dass es deswegen nach Kompromissen klingt.

Wohl fühlt man sich in dieser Musik. Und horcht plötzlich doch auf und will manchmal irritiert meinen, dass das alles wieder fast zu gut zueinander passt. Zu exquisit zusammengesucht. Weil die Musik halt nie den Kopf verliert, nie einfach nur aufschreit oder schluchzt und ihr der Tanzboden mehr eine theoretische Einrichtung ist. Aber das alles will man ja nur in seiner Schtetl-Nostalgie. Weil man Klezmer so als Klischee im Ohr zu haben meint. Man sollte sich nicht trauen.

Das hier aber ist nicht Klischee-Klezmer. Sagen wir einfach Cool-Klezmerjazz dazu. Auch mit Gastspielen von John Zorn selbst und Frank London von den Klezmatics. Und Paul Brody spielt in diversen Besetzungen am Samstag im Badenschen Hof und am Sonntag im b-flat. THOMAS MAUCH

Paul Brodys Sadawi: „For The Moment“ (Tzadik/Sunny Moon)