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Archiv-Artikel

Warnsignal Moder

Er ist für Gutachter so schwer zu orten wie für Ärzte: Die Ursachen für Schimmelbefall in Wohnungen sind vielfältig. Seine Bekämpfung ist unerlässlich – der Gesundheit zuliebe

Gut, in der neuen Wohnung riecht es vielleicht ein wenig modrig. Erst werden die Fenster geöffnet und gut durchgelüftet, dann wird der Schlafzimmerschrank nahe an die frisch gestrichene Wand heran gerückt. Und dies sei auch schon der schlimmste Fehler, der gemacht werden könne, sagt Helmut Gumtau, Experte für Schimmelpilzbefall bei der Hamburger Verbraucherzentrale: Modriger Geruch ist ein wichtiges Anzeichen für Pilzbefall. Abgestorbene Pilzkolonien sind schuld an diesem süßlichen Aroma, und in dieser Phase gibt der Schimmel die aggressivsten Sporen ab – eine Art Selbstschutz.

Bis es aber zu diesem Szenario kommt, muss schon viel falsch gelaufen sein. Denn Sporen von Schimmelpilzen befinden sich in geringen Dosen permanent in der Raumluft – überall. „Die Schimmelpilzsporen suchen ständig nach feuchten Stellen an der Wand“, sagt Gumtau, „und wenn sie eine feuchte Stelle gefunden haben, dann prüfen sie, ob diese fünf Tage lang feucht bleibt.“ Erst dann komme es zu Pilzbefall an Wänden oder Baumaterialien. Im Anfangsstadium bilden sich Stockflecken, aus denen sich dann die mit bloßem Auge sichtbaren Pilzkolonien entwickeln. Diese bilden einen dicken Belag, je nach Schimmelpilzart und Untergrund schwarz, weiß oder gelblich gefärbt. Der Experte spricht dann von einem sick building“: einem kranken, verseuchten Gebäude.

Doch wer trägt die Schuld am Schimmelbefall? Der Vermieter, weil er schlechte Bausubstanz vermietet und nicht saniert? Der Mieter, weil er nicht heizt oder nasskalte Luft durch ständig gekippte Fenster hereinlässt? „Das ist meist eine schwierige Problematik, da es manchmal auch mehrere Ursachen für den Schimmelbefall gibt“, erklärt Gumtau. Vor kurzem habe er in einer Wohnung vier Faktoren ausgemacht. Da war einmal die schlechte Bausubstanz: Es handelte sich um eins jener Nachkriegsgebäude, die schnell und ohne Rücksicht auf Wärmedämmung hochgezogen wurden. Gerade in diesen Häusern gibt es eine große Anzahl an Wärmebrücken, bei denen die Wandtemperatur nur 14 bis 15 Grad beträgt. Wenn der Mieter dann einen Schrank vor diese Fläche stellt, sinkt die Temperatur um weitere drei bis vier Grad. Erwärmt sich der Raum auf über 20 Grad, wird ein kalter Fleck durch Kondensation schnell feucht. „Die Leute sehen zwar, wie schnell eine kalte Flasche in einem warmen Zimmer feucht wird“, sagt der Experte, „aber auf die Idee, dass es einer kalten Stelle an der Wand genauso ergeht, kommt keiner.“

Hinzu kam in Gumtaus Beispiel eine defekte Regenrinne. Diese war verstopft und leitete das Wasser in die Fassade. Überdies war das Wetter während der Vormonate nasskalt gewesen. Da sei es schwierig, jemanden verantwortlich zu machen, sagt Gumtau.

Auch Ärzte können den Schimmelpilz schlecht orten. Denn wenn Patienten häufig über Magenschmerzen, Erkältungen und Kopfweh klagen, ist es schwierig, eine Diagnose zu stellen. Bis ein Arzt aus diesen Symptomen eine Immunschwäche durch Schimmelpilz diagnostizieren kann, müssen die Symptome in einem langen Zeitraum auftreten. Für Kleinkinder und Senioren eventuell zu lange: Sie können sich dann schon eine Lungenentzündung zugezogen haben. „Mit Raumthermometer und Luftfeuchtigkeitsmesser kann das Schlimmste vermieden werden“, sagt Gumtau. Und wenn doch mal Schimmel erscheint, sollte man ihn mit Essig oder Alkohol beträufeln. Chlorhämmer, so genannte Fungizide, sollten aber nicht ohne fachmännische Aufsicht eingesetzt werden. „Das wäre ja fast so“, sagt Gumtau, „als würde man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.“ THOMAS EWALD

Vortrag zum Thema „Was tun bei Feuchtigkeit und Schimmelbildung in der Wohnung“: 22. Januar, 18.30 Uhr, Verbraucherzentrale, Kirchenallee 22. Die Teilnahme kostet 13 Euro. Infos: www.vzhh.de.