: Ärzte gegen Moorburg
Hamburger Ärzte fordern Bürgermeister von Beust auf, den Bau des Kohlekraftwerkes Moorburg zu stoppen. Feinstaub belastet die Gesundheit
VON ELKE SPANNER
Die Ärzteschaft in Hamburg-Wilhelmsburg hat Bürgermeister Ole von Beust (CDU) aufgefordert, den Bau des Kohlekraftwerkes Moorburg zu stoppen. Sollte das Steinkohlekraftwerk wie geplant in Betrieb gehen, würde der Wohnbevölkerung rundum wissentlich großer gesundheitlicher Schaden zugefügt. Davor warnen die Ärzte in einer Erklärung, die bislang von 40 Medizinern unterschrieben ist.
Der Betreiber Vattenfall plant in Moorburg das größte derartige Kohlekraftwerk der Bundesrepublik. Es soll eine Leistung von 1.640 Megawatt haben. Umstritten war das Kraftwerk bisher vor allem wegen der klimapolitischen Auswirkungen: Es soll rund acht Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen – doppelt so viel, wie derzeit im gesamten Hamburger Straßenverkehr in die Luft abgegeben werden. Doch der Schaden für das Klima ist nur ein Aspekt. Zusätzlich zu den CO2-Emissionen wird das Kraftwerk jährlich 393Tonnen Feinstaub ausstoßen – und der ist schädlich für die Gesundheit.
Feinstaubpartikel dringen über die Lunge in den Organismus ein. Laut einer Studie der EU aus dem Jahr 2005 sterben in Deutschland jedes Jahr etwa 65.000 Menschen an den Folgen von Feinstaub. Leidtragende sind vor allem ältere Menschen und Kinder. Studien zufolge haben Kinder in belasteten Gebieten ein um 30 Prozent erhöhtes Asthma-Risiko. Bei Kindern, die etwa durch starken Verkehr ständig Emissionen ausgesetzt sind, ist die Lungenkapazität um etwa zehn Prozent reduziert. Außerdem treten HNO-Infekte um 20 Prozent häufiger auf als bei Mädchen und Jungen in wenig von Abgasen belasteten Gebieten. Die Gefahr, an Neurodermitis zu erkranken, steigt, ebenso das Allergie-Risiko. Das GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit bei München hat ermittelt, dass Schwangere, die viel Feinstaub einatmen, häufiger Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht bekommen.
„Ein Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Atemwegserkrankungen wird von niemanden angezweifelt“, sagen auch die Wilhelmsburger Ärzte. Dennoch würden die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als tolerierbar festgesetzten Grenzwerte an mehreren Messstationen in Hamburg schon jetzt mehrfach im Jahr überschritten, unter anderem in Moorburg und den Nachbarstadtteilen Wilhelmsburg und Veddel. In diesen Stadtteilen hätten die Bewohner aufgrund der steigenden Armut ohnehin eine geringere Lebenserwartung. „Wir befürchten, dass ein Kohlekraftwerk in Moorburg zu einer erheblichen Steigerung dieser Risikofaktoren führt und in unverantwortlicher Weise die Gesundheit vor allem unserer Kinder aufs Spiel setzt“.
Andernorts wurden die gesundheitlichen Bedenken von Ärzten gegen Kohlekraftwerke durchaus ernst genommen. Im nordrhein-westfälischen Krefeld haben Mediziner es geschafft, den Bau eines Kohlekraftwerkes zu verhindern: Eine Initiative aus achtzig Ärzten hat den CDU-dominierten Stadtrat schlichtweg überzeugt. Die Stadt weigert sich seither, den Bebauungsplan für ein neues Kraftwerk des Stadtwerkeverbundes Trianel zu ändern.
In Lünen, am Rande des Ruhrgebietes, haben sich 96 Mediziner zum Protest vernetzt. Im Saarland haben sich 400 Ärzte zusammengeschlossen. Bundesweit sind sich Mediziner einig, dass eine Steigerung der Feinstaubbelastung aus medizinischer Sicht inakzeptabel ist. So hat die Bundesärztekammer die Kommunen im Oktober ausdrücklich aufgefordert, die Bevölkerung vor Feinstaubbelastung zu schützen.