: Die Fährte führt nach Pakistan
Drahtzieher des Anschlags auf Kabuler Luxushotel ist Sohn eines Stammesführers und Taliban-Verbündeter
BERLIN taz ■ Afghanistans Regierung hat einen wichtigen Verbündeten der Taliban als Hintermann des Überfalls am Montag auf das Luxushotel „Serena“ im Zentrum der Hauptstadt Kabul verantwortlich gemacht: Serajuddin Haqqani. In dessen Auftrag habe ein gewisser Mullah Abdullah vier Männer ausgesucht, von denen drei am Montagabend den Angriff ausführten. Ein weiterer sei für die Logistik verantwortlich, so Geheimdienstschef Amrullah Saleh auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Kabul, die live im afghanischen Fernsehen gezeigt wurde.
Einer der Angreifer wurde von Wachleuten erschossen, ein weiterer sprengte sich im Hoteleingang in die Luft. Den dritten fassten Salehs Leute im Hotel, als er gerade versuchte, seine Polizeiuniform auszuziehen. Nachdem er im Hotel auf mehrere Gäste geschossen hatte, konnte er sich offenbar nicht entschließen, sich in die Luft zu sprengen. Sein Geständnis führte die Behörden zu einem Haus im Kabuler Stadtteil Qala-ye Zaman Khan, wo ein Video mit den drei Angreifern gefunden wurde.
Der Logistiker habe die Kamera bedient und sei noch flüchtig, hieß es. Doch vor allem möchte Geheimdienstchef Saleh des Organisators Mullah Abdullah habhaft werden. „Wir haben den Kreis geschlossen“, sagte der Amrullah Saleh, „er ist in Miram Shah.“ Das ist das Zentrum des pakistanischen Stammesgebietes Nordwasiristan. Saleh, nicht gerade ein Freund von Pakistans Regierung, forderte Islamabad aber nicht direkt auf, Abdullah festzunehmen und auszuliefern. Er weiß, dass in Miram Shah der pakistanische Ableger der Taliban das Regiment führt.
Serajuddin Haqqani soll im Sommer 2005 zum Taliban-Kommandeur für Südostafghanistan ernannt worden sein. Doch das tatsächliche Verhältnis zwischen den Taliban und dem, was die US Army das Haqqani-Netzwerk nennt, ist unklar. Wahrscheinlich handeln die Haqqanis autonom. Ihr Gebiet ist keine Taliban-Hochburg, und diese können froh sein, dass sie renommierte örtliche Verbündete haben. Laut US-Militär soll Haqqani auch Selbstmordanschläge in der Kabuler Umgebung geplant haben. Im vergangenen Sommer erstellte das Militär deshalb einen Steckbrief mit einem – allerdings gezeichneten – Konterfei von Haqqani und elf anderen Taliban- und Al-Qaida-Führern und setzte 200.000 Dollar Belohnung auf ihn aus. Das habe ihn sehr verstimmt, sagen Stammesführer aus Khost, die behaupten, ihn zur Einstellung seines Kampfes überreden zu wollen. Erst wolle er wieder von der Fahndungsliste gestrichen werden. Ein Foto Haqqanis scheint nicht zu existieren, und auch sonst ist nur sehr wenig über ihn bekannt. Etwa 40 Jahre alt soll der Sohn Jalaluddin Haqqanis sein, der erst gegen die Sowjets kämpfte und dann Minister bei den Taliban war. Haqqani senior, Stammesführer und Geistlicher in Personalunion, war einst ein Liebling des Westens. Er gehörte zu den zehn Mudschaheddin-Kommandeuren, die ihr Geld direkt von der CIA bekamen, ohne Umweg über den pakistanischen Geheimdienst. Aber auch zu diesem hatte er gute Beziehungen. Zeitweilig lebte er in der Offizierskolonie von Miram Shah. Im Juni soll er über 70-jährig gestorben und ohne Aufsehen in seinem Heimatdorf in Afghanistan begraben worden sein. Sein Tod wurde jedoch nicht bekannt gegeben, damit seine Anhänger nicht demoralisiert werden und sein angeblich weniger charismatischer Sohn in seinem Namen weiterkämpfen kann.
Inzwischen haben die Taliban Anschläge auf Restaurants angedroht, die von Ausländern frequentiert werden. Das wird deren Bewegungsradius in Kabul weiter einschränken. Australien hat mittlerweile seine Botschaft, die im Hotel „Serena“ angesiedelt war, verlegt. THOMAS RUTTIG