: Durchbruch bei der Schulreform
Seit 15 Jahren fordert die Gesamtschule Ost eine eigene Oberstufe – vergebens. Jetzt hat die Senatorin Jürgens-Pieper dafür grünes Licht gegeben. Die Schulreformkommission wusste von nichts
von Klaus Wolschner
Es ist still geworden um die Bildungspolitik, so scheint es. Aber der Schein trügt. Am Dienstag hat die Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) eine Entscheidung verkündet, die für Aufsehen sorgen wird: Vom Sommer an soll das Oberstufenzentrum Walliser Straße zu der Gesamtschule Ost (GSO) gehören. Und ab sofort darf Schulleiter Bernd Wieczorek keine die gymnasiale Oberstufe betreffende Entscheidung mehr treffen ohne den Leiter der Gesamtschule, Franz Jentschke, zu fragen.
Wieczorek war gestern in der Behörde, um gegen die Anordnung zu protestieren. Aber das wird nicht viel nützen. Denn die Entscheidung der Senatorin liegt auf der Linie ihrer schulpolitischen Überzeugung: Gesamtschulen brauchen eine eigene Oberstufe, um hinreichend attraktiv zu sein für „Gymnasial“-Kinder. Bisher sind die Absolventen der GSO quer durch die Stadt gefahren, manche sogar eine Stunde lang bis in die Delmestraße, um eine Gesamtschul-Oberstufe zu besuchen.
„Wir fordern die Verschmelzung mit der Oberstufe seit 1991“, sagt Schulleiter Jentschke dazu. Damals hatte auch die Schulreformkommission, die den Namen des renommierten Pädagogen Wolfgang Klafki trug, diese Zusammenführung für sinnvoll erklärt. Henning Scherf als Schulsenator war dafür – aber dann kam die große Koalition, und der Wind drehte sich. Unter den SchulsenatorInnen Bringfriede Kahrs und Willi Lemke hat er mehrfach Vorstöße gemacht, erinnert sich Jentschke, ohne Erfolg. Das Stufen-System im bremischen Schulwesen schien zementiert, die Oberstufe Walliser Straße ist organisatorisch mit dem dortigen Berufsschulzweig zusammengeführt, obwohl inhaltlich diese alte sozialdemokratische Idee längst gescheitert ist, wird an der organisatorischen Hülse festgehalten.
Und dann kam Jürgens-Pieper. „Ich bin begeistert von der neuen Schulsenatorin“, sagt Jentschke – die würde richtig zuhören. Und handeln. Denn Jentschke hat, seitdem die GSO mit der Kammerphilharmonie kooperiert, ein besonderes Problem ohne Oberstufenschüler. Und an das Schulzentrum Walliser Straße gehen die wenigsten der Absolventen der Gesamtschule. Wenn man durch die Kooperation mit der Kammerphilharmonie die Schule stärken und die Schüler im Stadtteil halten will, braucht die Gesamtschule eine Oberstufe, hat Jentschke der Senatorin gesagt. Und die hat verstanden – insbesondere auch, weil sie aus Niedersachsen kommend den pädagogischen Sinn des Bremer Modells der amputierten Gesamtschule überhaupt nicht versteht.
„Unsere erste Entscheidung“, sagt Jentschke stolz: „Es wird im nächsten Schuljahr einen Leistungskurs Musik geben.“ SchülerInnen, die sich von der Kammerphilharmonie für Musik haben begeistern lassen, können für die Oberstufe im Haus bleiben.
Die Anordnung der Senatorin, von der weder die Deputation noch die Schulreform-Kommission vorher informiert wurden, zeigt, wohin die Reise nach ihrer Auffassung gehen soll. Nicht überall sind allerdings die räumlichen Voraussetzungen für die Ausweitung der Gesamtschule so vorhanden wie in der Vahr, wo die Oberstufe, obwohl organisatorisch getrennt, doch im vierten Stock in demselben Gebäude untergebracht war.
„Die Deputation für Bildung wird sich im Februar damit befassen“, hat die Senatorin gestern Nachmittag mitgeteilt.