: Schäuble legt sich mit allen an
Der Bundesinnenminister zeigte sich am Wochenende unduldsam. Er kritisierte den obersten Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier, weil der sich eine eigene Meinung erlaubte, und Justizministerin Brigitte Zypries wegen angeblicher Indiskretion
VON CHRISTIAN RATH
In ungewöhnlich scharfer Form hat Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Sonntag dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, kritisiert „Ich verstehe, dass manche Verfassungsrichter gerne Ratschläge geben würden. Dazu sind sie aber nicht demokratisch legitimiert“, sagte Schäuble der Welt am Sonntag. Schäuble reagierte damit auf ein Spiegel-Gespräch mit Papier, das vor einer Woche veröffentlicht wurde.
Papier, der selbst Unions-Mitglied ist, hatte dort an das Karlsruher Urteil zum Luftsicherheitsgesetz erinnert. Der Staat dürfe nicht den Abschuss von entführten Passagiermaschinen erlauben, um den Missbrauch der Jets als Waffe zu verhindern. Die Tötung von unbeteiligten Flugpassagieren verstoße gegen deren Menschenwürde und könne deshalb nicht rechtmäßig sein.
Papier wies dabei Pläne von Schäuble zurück, den Abschuss doch zu legalisieren, wenn ein „Angriff auf die Grundlagen des Gemeinwesens“ vorliegt. Schäuble hatte versucht, die Entführung eines Jets durch Terroristen als Quasiverteidigungsfall zu konstruieren. Er nahm dabei auf eine Aussage im Karlsruher Urteil Bezug, wonach das strenge Urteil nicht auf den Kriegsfall gemünzt sei.
Doch Papier wies Schäubles Vorstoß in aller Deutlichkeit zurück: „Es ist in der Entscheidung klar und eindeutig gesagt, dass der Abschuss einer Passagiermaschine, die von Terroristen als Tatwaffe benutzt wird, kein solcher Fall ist“, sagte der Richter. Es könne „keine Rede davon sein“, dass ein derartiger Terrorangriff „das Gemeinwesen insgesamt bedroht“, so Papier im Spiegel.
Schäuble verbat sich jetzt solche Belehrungen. „In Amerika und anderen reifen Demokratien gibt es den Spruch: Richter sprechen durch ihre Urteile“, sagte der Innenminister zur Welt. Allerdings hat Papier letztlich nichts anderes gemacht als ein bereits gesprochenes Urteil wiederholt, das Schäuble offensichtlich nicht akzeptieren will.
Auch mit Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) begann Schäuble einen neuen Händel. In einem Brief kritisierte er am Freitag, dass der neueste Referentenentwurf zur Reform des Bundeskriminalamtes vorzeitig bekannt geworden war. Die taz hatte am Mittwoch berichtet, dass der aus dem Innenministerium stammende Entwurf entgegen früheren Zusicherungen auch das Abhören von Strafverteidigern, Pfarrern und Abgeordneten zulässt. Die Veröffentlichung habe das „gedeihliche Miteinander“ der Koalition gestört, schrieb Schäuble an die Justizministerin.
Zypries wies den Vorwurf der Indiskretion postwendend zurück. Solche Unterstellungen seien für die Zusammenarbeit auch „nicht hilfreich“, vor allem, wenn er sein eigenes Schreiben „ohne ersichtlichen Grund an einen größeren Verteilerkreis richte“.
Im Interview mit der Welt betonte Schäuble, er habe seine Meinungsbildung in der Abhörfrage noch nicht abgeschlossen.