Totò, der Hemmungslose

Gerade war das Urteil verkündet worden, da schossen dem Angeklagten die Tränen in die Augen. Fünf Jahre Haft bekam Totò Cuffaro Freitagabend in Palermo, und der Präsident der Region Sizilien weinte hemmungslos – Tränen der Freude. Fünf Jahre Haft: Cuffaro aber fühlte sich „reingewaschen“, „vom Makel befreit, ein Mann der Mafia zu sein“. Er, der mächtigste Mann Siziliens, hatte gerade vom Gericht bescheinigt bekommen, er habe diverse Mafiosi begünstigt, er habe sie über polizeiliche Abhörmaßnahmen auf dem Laufenden gehalten, aber die Richter sahen es nicht als erwiesen an, dass er die Cosa Nostra als Ganzes habe begünstigen wollen.

Cuffaro erklärte umgehend, er werde in Berufung gehen und „selbstverständlich“ Sizilien weiterregieren. Seit 2000 führt der 49-jährige Christdemokrat eine Rechtskoalition, und 2001 soll er die ihm vorgeworfenen Verbrechen begangen haben. Da traf er sich mit Michele Aiello, Chef von Privatkliniken und nach Aussagen eines Kronzeugen Strohmann von Mafiaboss Bernardo Provenzano, im Hinterzimmer eines Herrenbekleiders, um – so die Anklage – Aiello und seine Mafiosi über Ermittlungen der Polizei zu informieren. Ganz falsch, erklärte der stets grinsende Cuffaro. Er habe mit Aiello an dem ungewöhnlichen, konspirativen Treffpunkt bloß über „Tarife im Gesundheitswesen“ verhandeln wollen.

Das glaubte ihm die Staatsanwaltschaft ebenso wenig wie die Richter – aber seinen Anhängern ist es egal. Sie wählten ihn zuletzt 2006 mit stolzen 53 Prozent wieder zum Präsidenten ihrer Region. Denn Totò „Vasa Vasa“ (Küsschen, Küsschen) ist in Sizilien überaus beliebt, seiner eigenen Partei UDC verschaffte er dort 18 Prozent, während sie italienweit nur auf 6 Prozent kommt.

Cuffaro lernte das politische Geschäft in der alten Democrazia Cristiana, bei Calogero Mannino, der sich auch seit Jahren wegen Mafiakontakten verantworten muss. Und Cuffaro begriff, dass man mit leutseliger Klientelpolitik am weitesten kommt – sowie mit politischer Wendigkeit. Erst war er auf der Seite der Berlusconi-Rechten zu finden, dann machte er von 1998 bis 2000 einen Ausflug ins Mitte-links-Lager, bis die Rechte ihm den Posten des Regionalpräsidenten antrug.

Auf der Rechten fühlt er sich wohl. Schließlich ist es im Berlusconi-Lager unüblich, Petitessen wie eine Verurteilung zum Anlass von Rücktrittsforderungen zu nehmen. Dort störte sich auch niemand daran, dass Cuffaro sich kokett mit der „Coppola“, der als Symbol der Mafiosi geltenden Schiebermütze, in TV-Talkshows setzte. Jetzt wartet Cuffaro im Amt einfach auf das Berufungsverfahren – und auf die Verjährung der Anklage.

MICHAEL BRAUN