: Heiße Zukunft für den Norden
Der Ostseeraum wird besonders schnell wärmer, sagt eine neue Klimastudie voraus. Dürre Sommer sowie warme und nasse Winter werden häufiger. Schon jetzt liegt der Anstieg der Temperaturen über dem globalen Durchschnitt
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Der seit Freitag anhaltende Dauerregen in Norddeutschland ist nur ein Vorbote. Immer wärmere und nassere Winter sowie heißere und dürre Sommer sagt die erste Bestandsaufnahme zum Klimawandel im Ostseeraum voraus. Ohne deutlichen Klimaschutz würde bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Menge der Niederschläge im Winter um bis zu 75 Prozent zunehmen, in den Sommermonaten hingegen um bis zu 45 Prozent sinken, heißt es in dem BACC-Bericht (Assessment of Climate Change for the Baltic Sea Basin), der gestern veröffentlicht wurde.
Um drei bis sechs Grad Celsius würde rund um die Ostsee die durchschnittliche Lufttemperatur bis 2100 ansteigen, sagte Hans von Storch. Er ist Leiter des Instituts für Küstenforschung am GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht, unter dessen Federführung die BACC-Studie von 80 WissenschaftlerInnen aus 13 europäischen Ländern erarbeitet worden ist. Sie ist die regionale Variante des vom Weltklimarat im Herbst 2006 veröffentlichten IPCC-Berichts. Zusammen mit der Uni Hamburg soll darüber hinaus bis Ende 2009 ein Klimabericht für die Metropolregion Hamburg erstellt werden.
Die Auswertung der vorliegenden Daten habe bereits ergeben, so von Storch, dass sich der Ostseeraum im vergangenen Jahrhundert überdurchschnittlich stark erwärmt hat. Mit einem Plus von 0,85 Grad liege die Region um 0,1 Grad über der mittleren globalen Temperaturerhöhung. Im Süden, also etwa an der deutschen Ostseeküste, beträgt der Anstieg nur 0,7 Grad, in Finnland und Nordschweden aber rund 1,0 Grad.
Die genauen Ursachen dafür seien noch nicht bekannt, die Konsequenzen aber vorhersehbar. Die mittlere Temperatur der Wasseroberfläche könne bis 2100 um zwei bis vier Grad steigen. Die winterliche Eisbedeckung – im südlichen Ostseeraum schon lange eine Seltenheit – würde bis 2100 auch im Norden um 50 bis 80 Prozent abnehmen.
Gravierende Folgen erwarten die Wissenschaftler auch für die Fauna und Flora in der Ostsee. Mehr Regen im Einzugsbereich der großen Flüsse würde vor allem im Osten des Binnenmeeres den Salzgehalt weiter verringern. Dadurch würde sich das Problem der Überdüngung durch Nährstoffe aus der konventionellen Landwirtschaft verschärfen. In der Konsequenz müsse mit vermehrten Algenblüten gerechnet werden. Schädliche Auswirkungen sind demnach für Schweinswale und Ringelrobben sowie für die meisten Speisefische zu befürchten.
Ohne erfolgreiche und „deutliche Klimaschutzmaßnahmen“, so von Storch, wäre dieses Szenario „plausibel“. Es sei zwar „keine eindeutige Vorhersage“, aber eine „vereinfachte Beschreibung möglicher Zukünfte“. Für detaillierte Beschreibungen gebe es weiteren Forschungsbedarf. In fünf Jahren solle ein aktualisierter Bericht folgen. „Bis dahin wissen wir sehr viel mehr über den Klimawandel“, ist von Storch überzeugt, „und können umfassendere Aussagen zu Anpassungsstrategien machen.“
In Lübeck begann gestern eine Tagung des UN-Klimarates IPCC. An der Sitzung, die bis zum Donnerstag dauert, nehmen 120 Wissenschaftler aus mehr als 50 Ländern teil. Heute wird der Vorsitzende des Klimarates, Rajendra Pachauri, erwartet. Der indische Wissenschaftler hatte im Dezember 2007 für den Klimarat zusammen mit Al Gore den Friedensnobelpreis erhalten.