Bremer Uni sperrt Studierende aus

Aus Angst vor Protestaktionen lässt die Uni Bremen das Zentralgebäude von einer privaten Sicherheitsfirma absperren. Heute berät der Akademische Senat über ein Sparpaket – im Dezember hatten Studierende deshalb das Rektorat besetzt

Der Hochschulentwicklungsplan V (HEP V) sieht vor, dass die vier bremischen Hochschulen bis zum Jahr 2010 insgesamt rund 100 Millionen Euro einsparen. Als der Bremer Senat dies 2005 beschloss, gab es an der Universität Bremen 314 Professuren – 2010 sollen es noch 242 sein. Die Studiengänge „Arbeit und Technik“, die renommierte außerschulische Behindertenpädagogik sowie Sport werden schließen. Wegen Protesten von Studierenden und Professoren war die Umsetzung des HEP V an der Uni immer wieder verzögert worden. CJA

VON CHRISTIAN JAKOB

So richtig abschreckend schaut der Wachmann nicht, auch sein Tonfall ist freundlich. Und trotzdem: Wer auf sein „Wo wollen Sie denn hin?“ keinen vereinbarten Termin vorweisen kann, für den bleibt die Tür des Verwaltungsgebäudes der Bremer Uni zu.

Seit Montagmorgen bewachen Angestellte einer Sicherheitsfirma das Verwaltungsgebäude der Universität. Sämtliche Türen sind verschlossen. Der Haupteingang wird nur dann geöffnet, wenn Studierende sich vorher telefonisch einen Termin haben geben lassen – und einzeln kommen. Gruppen von ihnen dürfen nicht hinein. Der sonst frei zugängliche Backsteinbau beherbergt neben der Uni-Verwaltung auch die Zentrale Studienberatung, das Studierendensekretariat und das „International Office“ für ausländische Studierende.

Mit der „Vorsichtsmaßnahme“ sollte nach Angaben eines Uni-Sprechers verhindert werden, dass das Gebäude von Studierenden besetzt wird. Heute tagt der Akademische Senat, das höchste beschlussfassende Gremium der Universität. Auf der Tagesordnung: Die Entscheidung über den „Hochschulentwicklungsplan V“ (HEP V). Das Etatkonzept der Wissenschaftsbehörde sieht eine Streichung von rund 70 Professuren an der Bremer Universität vor.

Immer wieder hatten Studierende deshalb Sitzungen des Akademischen Senats blockiert und im Dezember für drei Tage das Verwaltungsgebäude besetzt. Das Rektorat hatte darüber „großes Unverständnis“ geäußert und „einer kleinen Gruppe aus dem AStA-Umfeld“ vorgeworfen, „die demokratische Meinungsbildung innerhalb der Universität zum HEP V zu verhindern.“

Dass als Reaktion hierauf nun Studierende aus Universitätsgebäuden gesperrt werden, nennt Paul Hecker vom Referat für Hochschul- und Sozialpolitik des AStAs eine Bankrotterklärung. „Hier kann eine kleine Gruppe von Universitätsangehörigen aus dem Umfeld des Rektorats ihre Politik ganz offensichtlich nicht mehr ohne polizeiliche Mittel durchsetzen“, sagt Hecker. Uni-Rektor Wilfried Müller habe „die Seiten gewechselt“.

Anfang 2007 hatte Müller auf einer Vollversammlung erklärt, er wolle „alles tun, um den HEP V zu verhindern“. Im Mai hatten Rektorat und AStA eine Demo gegen den HEP V mit mehreren tausend TeilnehmerInnen organisiert. „Nun setzt Müller den HEP V praktisch um – obwohl er weiß, dass die Uni dadurch den Bach runtergeht“, sagt Hecker.

Das Rektorat nutze den HEP V, um die Profilbildung der Universität mit Blick auf weitere Exzellenzinitiativen und die Drittmitteleinwerbung voranzutreiben. Rektor Müller hatte auf Basis des HEP V einen Stellenplan für die Zeit bis 2015 erarbeiten lassen und dies mit dem Argument verteidigt, die Kürzungen so zumindest „eigenverantwortlich gestalten“ zu können. Über diesen Stellenplan wird heute endgültig entschieden.

Aus Anlass der Senatssitzung haben Studierende bereits vor Wochen für den heutigen Mittwochabend einen Vortrag mit dem emeritierten Professor für Sozialpsychologie, Gerhard Vinnai, organisiert. „Zur Kritik der entfremdeten Universität“ soll Vinnai, Gründungsmitglied der einstigen Reformuniversität, sprechen. Dass der Titel seiner Veranstaltung nun besonders aktuell geworden ist, betrübt ihn: „Eine Universität lebt vom Konflikt“, sagt er. „Die Universität wird immer mehr zu einem bürokratischen Großbetrieb, der einer betriebswirtschaftlichen Rationalität unterliegt.“

Schon seit längerem seien „massive materielle Interessen“ für die Universitätsleitung maßgeblich. „Wenn man eine solche Uni will, wie wir sie jetzt langsam bekommen, dann muss man wohl so handeln wie Müller“, sagt Vinnai. „Die Frage ist aber: Muss eine Uni so sein? Kann sie nicht auch offener Raum für geistige Suchbewegungen sein?“

Dies müsse seit jeher von den Studierenden durchgesetzt werden: „Wenn die nicht mehr kritisch wären, würde etwas nicht stimmen“, findet Vinnai. Womöglich ist das bereits der Fall: In Internet-Foren geben Studierende die Schuld an der Aussperrung nicht etwa Müller, sondern dem AStA: „Danke, dass wegen euch Komikern jetzt das VWG bis Donnerstag geschlossen ist“, schreibt ein Informatik-Student.

Die Wissenschaftsexpertin der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft, Silvia Schön, kritisierte Müller: „Das ist sicherlich keine glückliche Form der Auseinandersetzung“, sagte sie.