: Niedersachsen vor der Weichenstellung
In der Verkehrspolitik bieten vor allem die Grünen eine klare Alternative zum Programm der Landesregierung. Die SPD ist zwar für den Autobahnausbau – aber auch für ein Tempolimit und will mehr Geld für Nahverkehr ausgeben
Das Verdikt des umweltorientierten Verkehrsclubs Deutschland (VCD) ist deutlich: Er suche vergeblich nach zukunftsfähigen Verkehrskonzepten in den Wahlprogrammen der meisten Parteien in Niedersachsen, teilte er mit. „Obwohl das Thema Klimaschutz für viele Menschen eine wichtige Rolle spielt, fordern mit CDU, SPD und FDP fast alle heute im Landtag vertretenen Parteien zusätzlichen Straßenbau“, kritisierte der VCD-Landesvorsitzende Michael Frömming. Der umweltfreundliche Bahnverkehr spiele dagegen „keine ernste Rolle“.
Die drei Parteien würden diesen Vorwurf zwar mit einem gewissen Recht von sich weisen, schließlich ist allen klar, dass sich das stark wachsende Verkehrsaufkommen vor allem beim Gütertransport nur mit Hilfe der Bahn bewältigen lässt. Dennoch setzen Regierung und Opposition in Niedersachsen verschiedene Schwerpunkte.
Zu den Projekten, denen wohl der größte Widerstand entgegen schlägt, gehören die Küstenautobahn A 22 von Stade zum Wesertunnel und die A 39 von Lüneburg nach Wolfsburg. Für die Koalition aus CDU und FDP aber auch für die SPD ist klar, dass sie gebaut werden sollen. „Die Wirtschaftsentwicklung findet entlang der Verkehrsachsen statt“, sagt Verkehrsminister Walter Hirche (FDP). „Wirtschaftsförderung durch Autobahnbau ist ein Argument aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts“, sagt dagegen der grüne Verkehrsexperte Enno Hagenah. In Niedersachsen gebe es keine Räume, die so unterentwickelt seien, dass eine Autobahn der Wirtschaft auf die Sprünge hülfe, argumentiert er. Mit der SPD zusammen fordern die Grünen ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern.
CDU, FDP und SPD sind einig, dass die so genannte Y-Trasse, eine schnellen Bahnverbindung zwischen Hannover, Bremen und Hannover, gebaut werden sollte. Die Strecke ist planfestgestellt und könnte gebaut werden. Aus Sicht Hagenahs ist das auch der einzige Grund dafür, dass die Strecke vorrangig behandelt wird. Wegen des steigenden Umschlags in den Häfen müsse das gesamte Schienennetz in Norddeutschland neu geplant werden. „Die Y-Trasse ist dabei allenfalls vierte oder fünfte Wahl“, sagt der Grünen-Abgeordnete. Zunächst müssten die Knotenpunkte durchlässiger gemacht und diverse Strecken auf zwei Gleise ausgebaut werden. Sein SPD-Kollege Gerd Will räumt ein, dass die Y-Trasse sehr teuer sei.
Einig sind sich die SPD-Grünen-Opposition und Die Linke, die erst noch in den Landtag einzuziehen hofft, in ihrer Kritik an der Nahverkehrspolitik der Landesregierung. Bund und Länder hatten 2006 beschlossen, die „Regionalisierungsmittel“ für den Schienennahverkehr in den Ländern zu kürzen. Im Gegenzug erhielten die Länder einen Prozentpunkt der Mehrwertsteuererhöhung. Die Landesregierung steckt nur einen kleinen Teil davon in den Nahverkehr, dem nach Rechnung des VCD auf diese Weise bis 2010 rund 200 Millionen Euro vorenthalten werden. Zuvor schon hatte die Landesregierung Regionalisierungsmittel dafür benutzt, Schülerfahrkarten zu subventionieren.
„Es kann nicht sein, dass der Bund Regionalisierungsmittel gibt und das Land damit seinen Haushalt saniert“, findet der SPD-Abgeordnete Will. Das fehlende Geld werde vor allem bei den Investitionen gespart, was sich mittelfristig rächen werde.
Die Landesregierung kann sich zugute halten, dass sie durch Ausschreibungen das Verkehrsangebot auf diversen Strecken attraktiver gemacht hat. Zwischen Stade und Hamburg gibt es jetzt eine durchgehende S-Bahn. Über den Betreiber einer überwiegend von Niedersachsen finanzierten Regio-S-Bahn zischen Bremen und dessen niedersächsischem Umland soll im Frühjahr entschieden werden.GERNOT KNÖDLER