: Flaschenpost
„Seid Kunst im Getriebe“: Weltweit vernetzt über Mail Art, war Robert Rehfeldt eine unwahrscheinliche Erscheinung in der Kunst der DDR. Die Galerie Parterre erinnert an seine rührigen Camouflagen und entdeckt ihn als Fotografen
So, wie Robert Rehfeldt war, muss sich Sascha Anderson immer gewünscht haben, zu sein: Einer, der in seinem vielfältigen Rollenspiel als Künstler tatsächlich frei war. Der (anders als der für die Stasi berichtende Dichter Anderson) nicht durch Hunger auf Anerkennung geködert werden konnte, sich in den Dienst des Staates zu stellen. Rehfeldt scheint mit der Fähigkeit des echten Clowns gesegnet gewesen zu sein, im Zweifelsfall lächerlich und nichtig zu bleiben. Daraus erwuchs ihm eine subversive Chuzpe, die von den DDR-Behörden in vollem Umfang offenbar gar nicht erkannt wurde.
Wie sonst wäre zu erklären, was die Galerie Parterre in einer kleinen, ausschnitthaften Schau zu seinem Leben und Werk deutlich macht: dass Rehfeldt Kontakt mit hunderten internationalen Briefpartnern unterhielt, viele davon in Westberlin und den USA, und zwar keineswegs heimlich, sondern mit auffälligen, kunstvoll gestalteten Karten und Grafiken? Dass diese von der Fluxus-Bewegung inspirierte Mail Art vorzugsweise mit englischen Grüßen oder Sprüchen wie „Seid Kunst im Getriebe“ operierte? Dass kritische Fotomontagen à la John Heartfield (ein riesiger Stalin mit einem Männlein auf der Schulter, dahinter ein Banner „Freiheit für die Kunst“) als Neujahrsgruß innerhalb der DDR dienten? Und Rehfeldt Notate an Freunde verfasste, die von Rolf Dieter Brinkmann inspiriert scheinen: „inzwischen wieder aufregende tage auf dem highway richtung summt zumal rob u. ruth als ISIRIDER die autobahn unsicher machten.“
Thomas Brasch schildert in seiner Geschichte „Und über uns schließt sich ein Himmel aus Stahl“ einen gewissen Robert – Bohemien, Motorradfahrer, unabhängiger Lebemann –, der an der Mauer umkommt. Rehfeldt starb 1993 mit 62 Jahren, aber er könnte sehr wohl auch Brasch mit seiner Unangepasstheit inspiriert haben. Und falls dem neuen Barden des Lebensgefühls Ost, Fritz Kater, die Inspiration ausgehen sollte, möge er seinen Regisseur Armin Petras vom Maxim Gorki Theater in die Ausstellung in der Danziger Straße schicken: Es findet sich dort Stoff für viele weitere Kater-Stücke.
Es ist daher schade, wie wenig Hilfe die Galerie dem Besucher leistet, die unwahrscheinliche Erscheinung Rehfeldts ganz zu erfassen. Die Ausstellung hat eher den Charakter einer Flaschenpost, der Uneingeweihte außen vor lässt. Der Flyer wartet mit Belehrungen auf, dass dem „Ressentiment gegen das Ostdeutsche“ nach der Wiedervereinigung, die im Übrigen keine gewesen sei, Künstler wie Rehfeldt „zum Opfer“ gefallen seien. (Der Autor ist Eugen Blume, Leiter des Hamburger Bahnhofs und Kurator der großen DDR-Kunst-Ausstellung 2004.) Ausgerechnet ein Werk also, das auch deshalb sympathisch wirkt, weil sich Rehfeldt seiner Grenzen als Künstler bewusst schien und lieber die Kunst der Kommunikation pflegte, als sich auf der Suche nach einer eigenen Vision zu verzehren, ausgerechnet das gibt Anlass zu einer Haltung voller Selbstgerechtigkeit und Futter für die PDS-Klientel.
Eine neue Entdeckung seit der größeren Rehfeldt-Ausstellung 1991 im Ephraim-Palais sind seine Fotografien. Es sind melancholische Bilder in Schwarzweiß wie etwa von einem alten Fischernetz auf Usedom, so, wie seine frühen Gemälde und Radierungen von Stadtlandschaften an die menschenleeren Ansichten und düsteren Paletten von Werner Held erinnern. Später brechen sich in seiner Grafik abstrakte Schwünge und energische Vektoren Bahn. Manche der ausgestellten Briefe Rehfeldts wirken regelrecht unleserlich, weil er die Wörter wie Kristalle behandelt, deren Formspiel vom Sinn ablenken. Ernst Jandls experimentelle Poesie, die das Verhältnis von Inhalt und Form weitete, war ein weiterer wichtiger Bezugspunkt für Rehfeldt.
Die Serie „Selbst 1981“ zeigt den Künstler als Soldaten mit verschiedenen Helmen und Mützen. Nach seiner Erfahrung als Jugendlicher, der in Hitlers letztes Aufgebot gezwungen wurde und nach Kriegsende in der Uniform der Alliierten das zerstörte Berlin erreichte, ist es wohl die eine Rolle, die Rehfeldt im Leben nie mehr spielen wollte – ob als Militär-, Partei- oder Geheimdienstsoldat. In den Bildern verkörpert er sie aber so glaubwürdig, dass man erst nach langem Hinsehen die Parodie spürt. Er war ein wirklich guter Clown.
HENRIKE THOMSEN
Bis 24. 2. in der Galerie Parterre, Danziger Straße 101, Mi–So 14–20 Uhr