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Archiv-Artikel

Kampf um die Erinnerung

Der Leiter der entstehenden KZ-Gedenkstätte Sandbostel berichtet über „Antifaschistische Perspektiven des Erinnerns“

Von cja

58 Jahre lang war es alles Mögliche: Gefängnis, Grenzdurchgangslager, Gewerbegebiet. Obwohl mehr als eine Million Menschen im NS-Lager Sandbostel – 60 Kilometer nördlich von Bremen bei Bremervörde – gefangen gehalten wurden, und 50.000 von ihnen dort starben, war eine Gedenkstätte an diesem Ort lange Zeit nicht durchzusetzen. Eine lokale Initiative kämpfte fast 25 Jahre gegen Widerstände.

Erst kürzlich wurde die erste provisorische Dokumentationsstätte am Ort des NS-Terrors eröffnet. Anlässlich des Auschwitz-Gedenktages berichtet heute Andreas Ehresmann, der Leiter der Gedenkstätte, von der Auseinandersetzung um die Erinnerung in Sandbostel. „Wir wollen direkt am historischen Ort Informationen über die Geschichte anbieten“, sagt Ehresmann. Bis vor kurzem gab es für die Sandbostel-Opfer nur eine „Kriegsgräberstätte“, einige Kilometer vom Lagergelände entfernt. „Mit privaten und öffentlichen Mitteln haben wir vor drei Jahren einen Teil des Lagergeländes erworben“, berichtet Ehresmann. 2,7 Hektar mit 9 Baracken, „teils in sehr marodem Zustand“. Oberste Priorität für die Denkmalschützer: „Den Verfall stoppen.“ Bis 2010, so schätzt Ehresmann, wird es dauern, bis die Gebäude so weit aufgearbeitet sind, dass sie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Bis dahin können sich Interessierte in einem kleinen Museum informieren und an geführten Rundgängen teilnehmen.

Zwischen 1939 und 1945 waren über eine Million Kriegsgefangene aus 46 Nationen im Lager Sandbostel inhaftiert, unter ihnen Intellektuelle wie der berühmte französische Philosoph Louis Althusser. Etwa 50.000 Gefangene überlebten die Zeit ihrer Gefangenschaft nicht. Sie starben an Hunger, Seuchen oder wurden ermordet. Britische Soldaten verglichen das Lager kurz nach ihrer Befreiung mit dem KZ Bergen-Belsen. Sie waren über die Behandlung der Gefangenen dermaßen entsetzt, dass ihr Befehlshaber plante, aus Rache mehrere Dörfer im Umkreis des Lagers zu zerstören. cja

„Die Transformation eines verdrängten Ortes“, 19.30 Uhr, im Paradox, Bernhardstraße 12