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Archiv-Artikel

„Umweltzone auch für Arme“

Laut Wahlprogramm will die Linkspartei den Autoverkehr am liebsten abschaffen – jetzt kämpft sie dafür, dass arme Autobesitzer ihre Dreckschleudern mit öffentlichen Mitteln umrüsten lassen können

HEIDEMARIE BEHRENS, 53, Diplomchemikerin und Umweltberaterin, ist Mitarbeiterin der Linksfraktion, vertritt diese in der Umweltdeputation.

Interview: EIKEN BRUHN

taz: Müssten Sie nicht gegen die Pläne zur Umweltzone protestieren? Darin steht nichts von Ausnahmen für Leute, die sich eine Umrüstung ihres Wagens oder die Ausnahme-Gebühren nicht leisten können.

Heidemarie Behrens: Ja, das will ich noch einmal ansprechen. Das größte Problem ist, dass es das Sozialticket noch nicht gibt.

Dafür kann der Umweltsenator ja nichts.

Aber es geht doch vor allem darum, dass die Leute – übrigens auch die reichen – auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen.

Und wer das nicht will?

Wer kein Geld hat, muss eine Umbauhilfe bekommen.

Wer soll das bezahlen?

Der Senat, etwa mit EU-Geldern.

Aber die EU kann doch den Auto-Umbau nicht nur für Niedrigverdiener fördern.

Wenn man das politisch will, wird das auch möglich sein. Wie, das müssen sich die Verantwortlichen überlegen. Ich sag es mal so: Wenn der Bausenator Hausbesitzern die Graffiti-Entfernung bezahlt, muss es auch möglich sein, die Nachrüstung von Fahrzeugen zu fördern. Es ist doch ungerecht genug, dass diejenigen, die am wenigsten zur Umweltverschmutzung beitragen, am meisten unter ihr leiden. Wer wohnt denn an den besonders verkehrsbelasteten Straßen? Diejenigen, die sich die Wohnung in Oberneuland nicht leisten können.

Wer sich von teurem Biogemüse ernährt und ein schadstoffarmes Auto fährt, ist der wahre Umweltfrevler?

Nein. Wer kein Geld hat, fährt weniger Auto, konsumiert und fliegt weniger – das ist wissenschaftlich belegt.

Wenn es also weder Sozialticket noch finanzielle Hilfen für die Stinker-Fahrer gibt, sind Sie gegen die Umweltzone?

In dem Fall würde mir die soziale Gerechtigkeit vor Umweltschutz gehen. Allerdings sind Autos nicht alleine schuld an der Luftverschmutzung, da gibt es Industrien, die dazu wesentlich mehr beitragen.

Was für Rückmeldungen bekommen Sie in Ihrer Partei und bei Wählern? Ist Umweltpolitik als bourgeois verschrien?

Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt welche, die sagen, ich hab kein Geld für so etwas, und es gibt welche, die sagen, Hemelingen soll unbedingt auch noch mit in die Umweltzone.

Und wie klimafreundlich ist das Fraktionsbüro?

Es könnte mehr Energiesparlampen geben. Den Stromversorger können wir aber wegen einer Pauschalmiete nicht so einfach wechseln. Das Problem habe ich bei mir zu Hause auch – damit werde ich nicht die einzige sein.

Darf man Billigflieger nutzen?

Nee, da bin ich rigoros. Urlaubsflüge finde ich nicht lebensnotwendig – egal, ob für Arme oder Reiche. Außerdem muss man an die Leute denken, die zu miserablen Bedingungen bei den Billiglinien arbeiten.

Sie treffen morgen Leute von Umweltprojekten. Wozu brauchen die bei einer rot-grünen Regierung die Linkspartei?

Oh, da gibt es einige, die sich von den Grünen links liegen gelassen fühlen, gerade wenn es um die Verknüpfung von ökologischen und sozialen Zielen geht.