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Archiv-Artikel

„Kein Wohlstand auf Pump“

Im taz-Interview zur Bürgerschaftswahl in Hamburg am Sonntag: CDU-Bürgermeister Ole von Beust über eine Sozialpolitik ohne Gießkanne, mehr Kitaplätze und Klimaschutz und die erneute absolute Mehrheit. Sein Wunschpartner: die Bürger

OLE VON BEUST, 52, ist seit 2001 Erster Bürgermeister in Hamburg. Zuvor war der Rechtsanwalt 23 Jahre lang CDU-Bürgerschaftsabgeordneter, davon acht Jahre lang Fraktionschef.

INTERVIEW MARCO CARINI UND SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Herr von Beust, mit Ihrem Programm „Lebenswerte Stadt“ bekämpfen Sie in erster Linie Probleme, die Sie durch sechs Jahre Politik der sozialen Kälte selbst geschaffen haben.

Ole von Beust: Ich habe nie bestritten, dass es Stadtteile mit Problemen gibt. Diese sind aber in erster Linie durch Fehler beim Wohnungsbau und eine schlechte Sozialpolitik in den 70er und 80er Jahren und nicht während meiner Amtszeit entstanden. Wir versuchen – im Gegensatz zu früheren Regierungen – nicht mit der Gießkanne, sondern zielgerichtet vorzugehen und unsere Maßnahmen laufend zu überprüfen. Wir wollen Initiativen stützen, die den Menschen vor Ort helfen, ihre Probleme selbst zu lösen.

In Ihren ersten vier Amtsjahren haben Sie sich kaum um diese Probleme gekümmert.

Schon vor dem Programm „Lebenswerte Stadt“ gab es die aktive Stadtteilentwicklung. Wir waren aber durch Steuerausfälle und strukturelle Haushaltsdefizite in einer Situation, in der wir in allen Bereichen die Kassen in Ordnung bringen mussten. Da war es Priorität Nummer eins, wirtschaftliche Kraft zu schaffen, um dann auch daraus die Möglichkeit zu gewinnen, hier wieder verstärkt in diesem Bereich zu investieren.

Gemäß Ihrem Credo: Soziales muss man sich leisten können.

Unsere Programme müssen finanzierbar sein. Ich halte nichts von Wohlstand auf Pump.

Laut Umfragen werden Sie die absolute Mehrheit verlieren und einen Koalitionspartner brauchen.

Die Chance auf eine absolute Mehrheit ist nicht riesig, aber das schien sie vor vier Jahren auch nicht. Ich werde bis zum Schluss dafür kämpfen und keinen Gedanken an Farbenspiele verschwenden.

Falls das nicht klappt, sind die möglichen Partner in der Rangfolge ihrer Beliebtheit FDP, Grüne und notfalls die SPD?

Ich will keine Farbenspiele, ich will klare Verhältnisse …

Das, was Sie gern die „Koalition mit dem Bürger“ nennen?

Ja.

Klingt nicht so glaubwürdig bei jemandem, der Volksentscheide kippt, die ihm nicht gefallen.

Den konnten Sie sich jetzt nicht verkneifen, was?

Nein. Aber nochmal: Sie schließen nichts aus?

Ich kämpfe für eine eigene Mehrheit. Grundsätzlich kommt für mich nur eine Zusammenarbeit mit der Linken und mit Rechtspopulisten nicht in Frage.

Gibt es Erfolge, auf die Sie stolz sind?

Stolz gehört nicht zu meinen Kategorien. Ich freue mich aber darüber, dass Hamburg bundesweit Spitzenreiter bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze ist, dass wir die beste Krippenversorgung aller westdeutschen Großstädte haben und tausend neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Jugendliche mit Migrationshintergrund schaffen konnten.

Sie haben den Klimaschutz neu entdeckt und gleichzeitig die Weichen für das Kohlekraftwerk Moorburg gestellt.

Umweltschutz macht nicht an den Stadtgrenzen halt. Wenn Moorburg gebaut wird, fährt Vattenfall andere Anlagen runter, mit dem Ergebnis, dass 2,3 Millionen Tonnen weniger CO2 ausgestoßen werden. Da wir sichere und bezahlbare Energie brauchen, ist das der richtige Weg.

Die Opposition nimmt Ihnen übel, dass Sie bei diesem Kraftwerk im Hauruck-Verfahren kurz vor der Wahl Fakten geschaffen haben.

Ich kann ja nicht ein halbes Jahr vor einer Wahl aufhören zu regieren und in Genehmigungsverfahren das exekutive Handeln einstellen. Die Genehmigung für Moorburg wird es aber erst nach der Wahl geben.

Es fällt auf, dass Sie kaum Wahlversprechen machen. Weil Sie dann hinterher auch keines brechen müssen?

Es gibt vieles, was wir anpacken wollen: Den Rechtsanspruch auf die Betreuung in Kindertagesstätten um ein Jahr vorziehen, die Klassenfrequenzen in den Grundschulen weiter reduzieren und beim Thema Integration die Familien der Kinder durch aufsuchende Elternarbeit stärker einbeziehen. Diese Initiativen stehen aber unter einem Finanzierungsvorbehalt. Wir brauchen dazu weiteres Wachstum und gute Steuereinnahmen. Anders als die SPD aber halte ich nichts von Versprechen, die unbezahlbar sind.

Viele überfüllte Kitas wie auch Ganztagsschulen, wo die Mittel für den Nachmittagsunterricht zusammengestrichen wurden, sind doch nur noch reine Aufbewahrungsstätten.

Im Kitabereich galt es zunächst, bei begrenzten Mitteln den Rechtsanspruch auf einen Fünf-Stunden-Platz für Dreijährige durchzusetzen. In der nächsten Legislaturperiode wollen wir die Kinderbetreuung weiter ausdehnen, aber auch noch mehr pädagogische Qualität in die Kitas bringen, um weiter weg von einer inhaltsleeren Aufbewahrung zu kommen. Bei den Schulen mussten wir die Verkürzung der Schulzeit auf zwölf Jahre durch Unterrichtszeiten auch am Nachmittag auffangen. Auch hier gibt es pädagogischen Nachholbedarf. Das wird eine der Prioritäten der kommenden Legislaturperiode sein.

Sie widersetzen sich dennoch konsequent der Einsicht, dass längeres gemeinsames Lernen sowohl für leistungsstärkere wie schwächere Schüler förderlich ist?

Es ist ein Irrglaube, Kinder vom unteren Hauptschulniveau bis zum höheren Gymnasialniveau auf Dauer so in einer Klasse unterrichten zu können, dass alle davon persönlich profitieren. Das funktioniert auch in den Gesamtschulen nicht.

Was sind für Sie die wichtigsten drei Dinge, die in Hamburg in den kommenden Jahren angepackt werden müssen?

Wir wollen die Kinderbetreuung stärken, den internationalen Stellenwert der Hamburger Universität durch eine Exzellenz-Initiative erhöhen und notwendige Infrastrukturmaßnahmen abschließen – von der Hafenquerspange bis hin zur Elbvertiefung.

Sie haben angekündigt, im Falle einer Wahlniederlage aus der Politik auszusteigen.

Das Amt als Hamburger Bürgermeister ist für mich das schönste in der Politik. Ich würde es gerne weiter wahrnehmen. Bundespolitische Ambitionen habe ich definitiv nicht.