: Gute Noten gegen Sex und Geld
Ein einstiger Professor steht in Hildesheim vor Gericht, weil er Juristen zur Promotion verholfen haben soll. Gegen körperliche Zuwendung gab es für eine Studentin offenbar sogar einen Job am Lehrstuhl
Als bekannt wurde, dass der Professor nach Südamerika fliehen wollte, schlug die Polizei zu. Knapp ein halbes Jahr später begann am Montag dieser Woche vor dem Hildesheimer Landgericht erneut der Prozess gegen den einstigen Inhaber eines Lehrstuhls der juristischen Fakultät an der Universität Hannover. Dieser soll gute Noten vergeben haben – gegen Geld und gegen Sex.
Die Anklage wirft dem 53-Jährigen Bestechlichkeit in 78 Fällen vor. Serienweise soll er zwischen 1996 und 2005 Juristen zur Promotion verholfen haben, obwohl diese nicht die Voraussetzungen dafür erfüllten: Laut Promotionsordnung benötigen Doktoranden mindestens ein „Voll Befriedigend“ als Examensnote. Bei dem nun vor Gericht stehenden Professor war auch ein “Ausreichend“ kein Hindernis. Insgesamt dreizehn Kandidaten erhielten schließlich einen Doktortitel. Als Gegenleistung soll der Professor mehr als 184.000 Euro kassiert haben.
Mitangeklagt ist eine 31 Jahre alte ehemalige Studentin des Professors. Sie hat laut Staatsanwaltschaft gegen Sex bessere Noten und einen Job am Lehrstuhl bekommen. Die Angeklagte, inzwischen Rechtsreferendarin, verbarg am Montag ihr Gesicht vor Gericht hinter Sonnenbrille und Schal. Dazu trug sie eine blonde Perücke. Ihr einstiger Professor soll sie mit ungerechtfertigt guten Noten begünstigt und jahrelang als studentische Hilfskraft beschäftigt haben. „Wesentlicher Grund für Notengebung und Anstellung ist die sexuelle Hingabe der Angeklagten gewesen“, sagte Oberstaatsanwalt Gundlach. Möglicherweise wird der Prozess gegen sie bereits am heutigen Dienstag abgetrennt, Beobachter erwarten ein schnelles Urteil.
Auch der 52 Jahre alte Chef einer Wissenschafts-Beratungsgesellschaft steht in Hildesheim wegen Bestechlichkeit in 69 Fällen vor Gericht. Der Anklage zufolge gab es zwischen dem inzwischen vom Dienst suspendierten Professor und der Firma des Promotionsvermittlers einen Rahmenvertrag, nach dem der Professor für jede von ihm zur Betreuung angenommene Doktorarbeit 2.050 Euro und für jede tatsächliche Promotion von Kunden der Agentur nochmal die gleiche Summe erhielt. Die Firma erhielt für die Vermittlung des Doktorvaters und die Auswahl des Promotionsthemas bis zu 24.000 Euro – nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist das nicht strafbar.
Der Prozess war Ende Januar wegen eines Besetzungsfehlers der Kammer geplatzt. Auch am Montag versuchte die Verteidigung, Salz ins Prozessgetriebe zu streuen: Sie beantragte die Ablösung des Oberstaatsanwalts, weil dieser angeblich verbotenerweise vorab wörtlich aus der Anklageschrift zitiert hatte. Die Kammer lehnte den Antrag ab. KSC