Er geht zum Rauchen auf den Spielplatz

Seine Clips auf dem Berliner Blog Spreeblick haben ihm einige Bekanntheit eingetragen, vor allem wegen seiner grandios handgeklampfen Songs. Nun hat Toni Mahoni mit „Allet is eins“ sein Debütalbum veröffentlicht

Das Thema war schnell gefunden. Das neue Jahr begrüßte Berlins Vorzeige-Videoblogger Toni Mahoni natürlich, indem er das nun neuerdings in seiner Heimatstadt herrschende Rauchverbot beklagte. Er, der in fast jedem seiner Filmchen eine mit OCB-Blättchen Selbstgedrehte verzehrte, hatte auch einen Gegenvorschlag: „Wenn ich nich mehr in der Kneipe roochen darf, geh ich halt auf’n Kinderspielplatz roochen. Draußen darf man ja.“ Dann hat er ein Liedchen zum Thema gedichtet und zur Lagerfeuergitarre vorgetragen.

Man muss das verstehen. Mahonis Markenzeichen ist schließlich seine Stimme, die allgemein stets mit dem Attribut „rauchig“ beschrieben wird, rauchig wie in kinderschänder-rauchen-reval-rauchig. Die durch ein Leben mit Filterlosen angegriffenen Stimmbänder und sein zum Prolligen neigender Humor haben Mahoni zu einem Star im Internet gemacht.

Die Raucherreklamation, Filmchen Nummer 133, war denn auch das vorletzte beim Grimme-Preis-gekrönten Vorzeige-Weblog „Spreeblick“. Nach zwei Jahren sind Mahoni und seine mit ständig im Hintergrund tschilpenden Kanarienvögeln aufgenommenen Botschaften, stets gefilmt in seinem weiß gestrichenen Altbauzimmer in Friedrichshain, so bekannt geworden, dass eine unvermeidliche Diversifizierung ansteht. Gebloggt wird nun auf der eigenen Website tonimahoni.com, das Album „Allet is eins“ wird veröffentlicht, und mit eigener Band geht es auf Tournee durch die Clubs der Republik. Vorvergangenen Sommer engagierte ihn Focus Online während der Fußball-WM als Kommentator, das Satire-Magazin Titanic lobte ihn als „bodenständigen Sänger“ und von Frankfurt aus betrachtet, genauer aus den Redaktionsstuben der FAZ, wurde er sogar zum „Kultberliner“.

Doch wie konnte das passieren? Ein Wortakrobat ist Mahoni nicht und sein Witz ist nicht gerade sprühend. Auch seine eher ziellos herumschwadronierenden Gedanken zu Gott, Liebe und immer wieder gern Ernährung sind nur selten so brillant, dass sich erklären ließe, warum das Publikum, das seine Filmchen herunterlädt, in die Zehntausende geht. Denn mehr als kurzweilig ist es kaum, wenn Mahoni, der seinen bürgerlichen Namen konsequent verschweigt, über seine nach dem Saufen „brummende Wumme“ philosophiert und dazu lautstark ein „lecker Teechen ausm Beutel“ schlürft.

Immerhin: Sein Berlinerisch ist zumindest authentischer als das eines Mario Barth und seine Witze wenigstens nicht fäkal vorgeprägt. Das Beste an Mahoni aber sind natürlich die Liedchen mit Stegreif-Charme, die auf „Allet is eins“ versammelt sind und auf der Tour zum Vortrag kommen. So das wundervoll belanglose Hohelied auf das sommerliche Biergartengetränk „Radler“, das sicher auch einem Jonathan Richman gefallen hätte, der selbst schon die Avocado besang. Natürlich neigt diese Impromptu-Lyrik mitunter zum Klischee, so in „Osche“, Mahonis Liebeserklärung an die Ostsee, die ihm die „eigene Badewanne“ ist, „genau vor unserer Tür“.

Manche alteingesessene Fans meckern zwar, dass das Gitarrengeschrammel mit Getschilpe aus den Podcasts zugunsten einer semi-professionellen Produktion weichen musste. Aber auch diese Aufnahmen sind, vorsichtig instrumentiert mit Klavier, wenigen Streichern und einer manchmal doch etwas nervigen E-Gitarre, immer noch sparsam genug, um Mahonis eigentliche Qualitäten herauszuarbeiten, vor allem also seine abgrundtiefe Stimme, die noch Elmar Gunsch Konkurrenz macht.

Eigentlich ist das Album auch schon fast zwei Jahre alt, nur war es bloß über die „Spreeblick“-Website erhältlich und recht schnell ausverkauft. Nun gibt es einen zusätzlichen Song, ein neues Cover mit einem diesmal scharfen Foto, einen vernünftigen Vertrieb, eine zum „Audiobook“ erweiterte Luxus-Ausgabe und zum Glück immer noch das ebenso lustige wie trotzige Lied von der „Zigarette“, wegen dem man fast wieder selber anfangen möchte mit dem Rauchen: „Hinter jeder Zigarette, da steckt ein kluger Kopf, der zeigt, dass er früh sterben will und nicht im Bett am Tropf.“ THOMAS WINKLER

Toni Mahoni: „Allet is eins“ (Roof)