Ein Haus für postmigrantische Kultur

Neuer Kurs für das Ballhaus Naunynstraße: Die künstlerische Leiterin Shermin Langhoff stellte ihr erstes Programm vor

Wenn Shermin Langhoff das Wort „Integration“ als Zielvorgabe aus Politikermund hört, legt die neue künstlerische Leiterin des Ballhauses Naunynstraße dazu einen kleinen, aber entscheidenden Abstand ein. Sie rede lieber davon, „einen eigenen Blick auf die Welt zu entwickeln, wohlwissend und akzeptierend, dass es andere daneben gibt. Das ist eine Herausforderung, die man bewältigen kann.“ Und die sie annehmen will mit ihrem Programm für das Kreuzberger Ballhaus, das die postmigrantischen Kulturen in den Mittelpunkt rückt.

Am Freitag luden André Schmitz, der Kulturstaatssekretär, und Sigrid Klebba, Bezirksstadträtin für Bildung und Kultur, ins Ballhaus, um nicht nur Shermin Langhoff als neue Leiterin vorzustellen, sondern auch den Beginn einer neuen Zusammenarbeit von Bezirk und Land Berlin. Denn erstmals erhält das Ballhaus, das bisher vom Bezirk nur mit der häuslichen Infrastruktur und zwei Stellen getragen werden konnte, Mittel des Senats. Für fünf Jahre ist ihm ein Etat von 250.000 Euro in Aussicht gestellt. Damit kann das schöne Haus, das André Schmitz bei diesem Termin übrigens das erste Mal betrat, zu einem Produktions- und Auftrittsort werden. Zuletzt hatte die Kuratorin Elke Moltrecht das Haus in einer Übergangsphase zu einer Adresse für Neue Musik gemacht.

Dass Langhoff bei ihrem Konzept an wesentlich mehr als deutsch-türkisches Theater denkt, merkt man rasch. „Ohne Migration als Motor der Kultur wären die Genres Western und Mafia-Film nicht entstanden“, sagt sie mit Blick auf die USA. In Berlin klaffe bisher eine große Lücke zwischen dem internationalen Kulturbetrieb, der mit Gastspielen etwa bei den Festspielen oder im Haus der Kulturen der Welt Fuß fasse, und den migrantischen Kulturprojekten. Diese Lücke zu füllen, daran arbeitet Shermin Langhoff schon länger. Sie gründete 2003 das deutsch-türkische Kulturbüro „kulturSprünge“ und entwickelte für das HAU die Reihe „Beyond Belonging“. „Aber Festivals sind sehr ephemer, hier wollen wir diese Arbeit verstetigen“, sagt sie.

Wer wir ist, wurde bei diesem Pressetermin schon sichtbar, viele Regisseure und Choreografen waren gekommen, mit denen sie an Projekten für das Eröffnungsprogramm im Herbst arbeitet. Mit dem Regisseur Neco Celik ist eine filmische Monatsschau geplant. Eine Recherche gilt den Kaffeehäusern in Kreuzberg und Neukölln, die oft nach türkischen Städten benannt sind, „öffentliche und doch nicht öffentliche Räume“, in die sie mit eigens für den Ort entwickelten Aufführungen hinein will.

Langhoff ist sehr skeptisch gegenüber Ethno-Marketing oder dem freiwilligen Rückzug in die Grenzen der Ethnifizierung. Die eine oder andere Umarmung von politischer Seite, die ihr jetzt, bei der Suche nach Drittmitteln und Unterstützung von Stiftungen begegnet, sieht ihr womöglich danach aus. Aber sie zeigen auch, dass der richtige Zeitpunkt für ihr Projekt gekommen ist. KATRIN BETTINA MÜLLER