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Archiv-Artikel

Mammutprozess gegen Telekom beginnt

17.000 Aktionäre werfen dem Unternehmen vor, falsche Infos verbreitet zu haben. Streitwert: 80 Millionen Euro

FRANKFURT/MAIN dpa ■ Der mit Spannung erwartete Musterprozess um den Börsengang der Deutschen Telekom beginnt an diesem Montag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. Rund 17.000 Anleger verlangen von dem früheren Staatskonzern Schadensersatz in Höhe von insgesamt 80 Millionen Euro.

In dem Verfahren will das Gericht zunächst grundsätzlich klären, ob der Prospekt für die dritte Aktienplatzierung im Jahr 2000 korrekt war.

Dem Oberlandesgericht liegt ein Katalog mit insgesamt 187 einzelnen Punkten vor, die vorab für alle Kläger verbindlich geprüft werden sollen. Dabei geht es unter anderem darum, ob die Telekom den Wert ihrer Immobilien richtig angegeben hatte. Denn nach dem Börsengang hatte der Konzern die Buchwerte deutlich reduzieren müssen. Für diese Frage muss das Gericht möglicherweise ein Sachverständigengutachten einholen, was rund ein Jahr dauern könnte.

Zunächst will sich die Kammer aber mit der Frage beschäftigen, ob die milliardenschwere Übernahme des US-Mobilfunkanbieters VoiceStream zum Zeitpunkt des Börsengangs de facto bereits vereinbart war, ohne dass die Öffentlichkeit dies wusste. Auch hier waren später große Abschreibungen notwendig. Nach Ansicht der Anwaltskanzlei Tilp würde es ausreichen, wenn der Prospekt zum Börsengang auch nur in einem einzigen Punkt falsch gewesen wäre. Die Kläger hätten dann aus Sicht der Anwälte Anspruch auf die Rückzahlung der Differenz zwischen dem Ausgabepreis von 63,50 Euro und dem heutigen Wert von rund 11 Euro oder dem individuellen Verkaufserlös.

Für solche Mammutprozesse war eigens ein neues Gesetz geschaffen worden, mit dem die Verfahren beschleunigt werden sollen. „Der Gesetzgeber wollte erreichen, dass nicht 17.000 Kläger in Masse ein Unternehmen anklagen, sondern dass durch ein Musterverfahren die Grundsatzfragen geklärt werden“, erläuterte der Aktienrechtsexperte Rüdiger von Rosen.

Auf die Telekom kommt eine ganze Reihe von Klagen zu. So wurden auch die Prospekte für die erste und zweite Aktienplatzierung angefochten.

Zudem klagen Aktionäre von T-Online auf einen höheren Übernahmepreis für ihre Anteile. Sie sehen sich bei der Verschmelzung auf den Mutterkonzern mit einer Abfindung von 8,99 Euro pro T-Online-Aktie finanziell benachteiligt.

Im Frankfurter Prozess wird es an den ersten beiden Tagen um die Klärung von Verfahrensfragen gehen. Für den dritten Verhandlungstag am 14. April hat das Gericht den früheren Telekom-Chef Ron Sommer geladen. Theoretisch können sämtliche 17.000 Kläger an dem Prozess teilnehmen und über 800 Anwaltskanzleien Fragen stellen. Damit wird allerdings nicht gerechnet – in den meisten der Fälle geht es um Summen von jeweils rund 3.500 Euro.

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