: Mein Name sei Hase
Die Bremer Kunsthalle lässt sich auf Geschäfte mit einem Beutekunstbesitzer ein: Nach der Versteigerung will man sich den Erlös teilen. Kritiker sehen darin einen Dammbruch
Von FRIEDERIKE GRÄFF
In Kürze wird die Bremer Kunsthalle um etwa 300.000 Euro reicher sein. Dann wird jenes Hasenbild von Hans Hoffmann vom Brüsseler Auktionshaus Lempertz versteigert werden, das die Kunsthalle bis 1945 in ihrem Besitz hatte – und das in den Kriegswirren von russischen Soldaten verschleppt wurde. Dann verloren sich seine Spuren, bis ein belgischer Geschäftsmann, dem ein Russe die Zeichnung als Pfand gegeben und nicht wieder ausgelöst hatte, sie zu Lempertz brachte. Nun wollen sich Geschäftsmann und Kunsthalle den Auktionsgewinn teilen.
Doch das Geschäft hat Kritik auf sich gezogen: Gilbert Lupfer, der bei den Dresdner Kunstsammlungen für das Thema Raubkunst zuständig ist, formuliert es vorsichtig: „Damit wird eine neue Situation geschaffen.“ Zwar sei die Kunsthalle ein privater Verein, dennoch „wäre ich sehr vorsichtig, diese Grenze einer öffentlichen Versteigerung zu überschreiten“. Der Anwalt und Kunsthistoriker Willi Korte wurde gegenüber der Süddeutschen Zeitung noch deutlicher. Die Versteigerung sei ein fatales Signal an Beutekunstbesitzer: „Verkauft ruhig, die Museen unterstützen euch sogar dabei.“
Das wiederum weist der Direktor der – privaten – Kunsthalle Bremen, Wulf Herzogenrath, weit von sich: „Es hat keinen Sinn, Jahr um Jahr auf unserer Rechtsposition zu beharren, ohne dass sich etwas ändert.“ Vor die Alternative gestellt, das Bild weiterhin in der Versenkung zu belassen, sei es allemal besser, es auf diese Weise wieder einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zudem sei Korte, der sich als Anwalt in Beutekunst-Prozessen profiliert hat – und auch die Bremer Kunsthalle vertrat – befangen: Schließlich profitiere er, sobald es zum Prozess käme.
Tatsächlich sind die Vorgänge rund um das Hoffmann-Bild, wie vieles in der so genannten Beutekunstdebatte, kompliziert und die Beteiligten zurückhaltend in ihren Auskünften. Von Herzogenrath, der bestimmte Details nicht nennen will, um Besitzern von Beutekunst in die Hände zu spielen, ist zumindest so viel zu erfahren: Nachdem das Aquarell – übrigens eine Kopie des Dürer-Hasen aus dem Jahr 1582 – wieder aufgetaucht sei, habe man das Bild zurückgefordert. Doch vor Gericht sei man mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung unterlegen. Grundsätzlich, so Herzogenrath, sei man durchaus interessiert, den juristischen Weg zu beschreiten: So habe die Kunsthalle vor einigen Jahren zwölf Dürer-Zeichnungen vom US-Zoll beschlagnahmen lassen, die nach einem viereinhalbjährigen Prozess und Kosten im sechsstelligen Bereich nach Bremen zurückgekehrt seien.
„Jeder Fall ist anders“, sagt Herzogenrath. Gerade deshalb habe es keinen Sinn, sich wie die „Falken-Fraktion“ im Kulturstaatsministerium auf eine absolute Position zurückzuziehen. „Das hat 16 Jahre nichts gebracht.“ Unter der Ägide von Kulturstaatsminister Nida-Rümelin habe man grünes Licht für neue Wege bekommen – seitdem seien auf unterschiedlichsten Wegen und weitgehend ohne große Medienanteilnahme Bilder in die Kunsthalle zurückgekehrt.
Herzogenrath hat einen guten Ruf: Er gilt in der Branche als besonnener, kluger Mann, der nicht ohne Grund aus der Reihe ausscheren würde. Ob es eine solche Reihe der Nicht-Geschäftemacher in der Museumswelt überhaupt gibt, ist umstritten. „Es gibt da keine Einigung“, sagen Experten, die ungenannt bleiben wollen. Andere, wie der Dresdener Gilbert Lupfer, sprechen von einem „ungeschriebenen Konsens“. Zwar würden so genannte Finderlöhne gezahlt – eine öffentliche Versteigerung sei aber Neuland. „Ich war erst einmal erschrocken – aber vielleicht führt es zu einer neuen Diskussion.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen