: Blue Notes auf der Leinwand
Das Kino 46 zeigt in einer Reihe mit Jazzfilmen auch „Calexico Next Exit“ von Dagie Brundert & Gabriele Kahnert
Bilder zu Tönen zu finden ist immer wieder eine schwierige Aufgabe für Regisseure, die Musikfilme drehen. Die simpelste, aber immer noch erstaunlich effektive Lösung ist natürlich der Konzertfilm, und zurzeit kann man mit „Shine A Light“ ein nahezu perfektes Beispiel auf der Leinwand bewundern. In der Filmreihe, die im Kino 46 als Begleitprogramm für die Messe „Jazzahead“ läuft, wird mit „My First Name is Maceo“ von Markus Gruber solch ein abgefilmter Auftritt gezeigt, und das Publikum bekommt sogar die seltene Gelegenheit, das Abbild mit der Realität zu vergleichen , denn am 20. 4. tritt der Souljazzer Maceo Parker tatsächlich im Kongresszentrum auf. Beliebt sind auch immer wieder die Musikerporträts. In der letzten Aprilwoche wird etwa der dänische Film „Marilyn Mazur – Queen of Percussion“ über die dänische Perkussionistin gezeigt, und hierbei entsteht der gleiche Dopplungseffekt, denn auch sie tritt während der Messe auf.
Jazzmusiker sind manchmal auch die Protagonisten in Spielfilmen, und stilbildend war hierbei „Bird“ von Clint Eastwood, in dem eindrucksvoll das Leben von Charlie Parker dramatisiert wurde. Der afroamerikanische Regisseur Spike Lee ärgerte sich aber so über diesen und ähnliche Produktionen seiner „weißen“ Kollegen, in denen seiner Meinung nach schwarze Jazzmusiker auf das Klischee der drogensüchtigen, in der Halbwelt lebenden Freaks reduziert wurden, dass er mit „Mo’ Better Blues“ einen Gegenentwurf inszenierte, bei dem die Musiker als erfolgreiche urbane Handwerker dargestellt wurden. Das eher dröge als coole Ergebnis dieser Bemühungen kann man in dieser Woche im Kino 46 sehen. Natürlich eignet sich der Jazz auch wunderbar, um als Filmmusik Atmosphäre zu schaffen. So auch in Roger Vadims selten gezeigtem „Gefährliche Liebschaften“, der durch den Soundtrack von Thelonious Monk veredelt wurde.
Künstlerisch am interessantesten ist aber der Dokumentarfilm „Calexico Next Exit“, denn er ist keinem dieser Subgenres zuzuordnen. Denn hier steht nicht etwa die amerikanisch-deutsche TexMex-Band „Calexico“ im Mittelpunkt, sondern es wird versucht, der Wirkung ihrer Songs nachzuspüren. Dass Popmusik die neue Weltsprache ist und wir alle in einem globalen Dorf leben, sind ja inzwischen Plattitüden, aber hier wird sehr eindrucksvoll deutlich gemacht, wie zutreffend sie dennoch sind. Die beiden deutschen Filmemacherinnen Dagie Brundert und Gabriele Kahnert haben auch noch in einem kleinen Provinzstädtchen im Ural und in China Fans der Band gefunden, die in schönster romantischer Tradition von deren zugleich temperamentvollen und klagenden Klängen eingefangen wurden. Der Russe erzählt von der Odyssee, die er bestehen musste, damit er nach einigen gescheiterten Versuchen die Band tatsächlich einmal live sehen konnte. Der Unidozent in China beklagt sich darüber, wie stofflos seine Erfahrungen mit der Musik, die er nur aus dem Internet kennt, zwangsläufig sein müssen. Ein Paar aus der ehemaligen DDR ist permanent auf der Suche nach dem perfekten Konzert, während ein Sammler stolz seine 192 gebrannten CDs von Auftritten der Band zeigt. Ein Berliner philosophiert darüber, welches T-Shirt bei welchem Konzert getragen werden sollte, und in dem Städtchen „Calexico“ an der kalifornisch-mexikanischen Grenze tritt die Band zum ersten Mal auf. All diese Geschichten erzählt der Film im gelassenen, angenehm melancholischen Rhythmus der Band, die nur selten in den Vordergrund gerückt wird, und gerade dadurch um so eindrucksvoller wirkt. Wilfried Hippen