: Die Schutzheiligen der eiligen Flamme
Durchtrainiert, 1,90 Meter, rabiat: Um Chinas Fackelwächter ist nach deren Auftritten in Europa Streit entbrannt
BERLIN taz ■ Das aggressive Auftreten der chinesischen Wächter der olympischen Fackel in London und Paris hat China ein weiteres Imageproblem beschert und in den beiden Hauptstädten eine Diskussion über Souveränitätsfragen ausgelöst. Die hochgewachsenen Chinesen in den blau-weißen Trainingsanzügen, mit Baseball-Caps, Ohrhörern und schwarzen Hüfttaschen sind die Bodyguards der Fackel. Droht der Flamme Gefahr, machen die Männer sie lieber selbst aus oder bringen sie in den Begleitbus in Sicherheit. Als „Schläger“ bezeichnete der zweimalige Olympiasieger und Chef des Organisationskomitees der Spiele 2012 in London gar die Männer. „Sie haben mich dreimal wegschubsen wollen. Sie sind schrecklich. Sie sprachen kein Englisch“, sagte Sebastian Coe.
Die TV-Moderatorin Konnie Huq, die wie Coe in London die Fackel trug, bezeichnete die Männer als „roboterhaft“ und sagte, dass sie Rangeleien zwischen ihnen und der Polizei beobachtet habe. Laut Times hätten die Chinesen sogar kurzzeitig die Kontrolle über die Downing Street übernommen, dem Amtssitz des Premiers und des Schatzkanzlers.
Die dreißig chinesischen Fackelwächter gehören zu einer paramilitärischen Spezialeinheit der Volkspolizei, der sogenannten Schutzeinheit der heiligen Flamme. Sie seien in Kampfkunst ausgebildet und sind nach chinesischen Medienberichten mindestens 1,90 Meter groß. Ihr Training umfasse tägliche Läufe von mehr als vierzig Kilo- meter. Die bewaffnete Volkspolizei war bei den jüngsten Unruhen in Tibet eingesetzt. „Wer hat ihre Anwesenheit autorisiert, und wer hat ihren Hintergrund überprüft?“, will jetzt die konservative Opposition von der Regierung wissen. Laut Times reisten die Chinesen mit einem Touristenvisum ein. Das Blatt zitierte einen ungenannten Beamten von Scotland Yard: „Sie waren hier, weil sie Teil des Pakets waren.“ Mit anderen Worten, wer den Fackellauf haben wollte, musste auch die dazugehörigen chinesischen Schützer nehmen. Die Verantwortung für die Flamme liegt beim chinesischen Organisationskomitee. Eine Nachfrage der taz beim IOC blieb am Mittwoch unbeantwortet.
SVEN HANSEN
Mitarbeit: J. Wiedemeier