: Deutschland hat es gerne giftig bunt
Verbraucherschützer aus 12 Ländern wollen Azofarben in Lebensmitteln verbieten, Deutschland ist nicht dabei
STOCKHOLM taz ■ Leuchtend bunt, unnötig und ungesund. Das sind Azofarbstoffe in Lebensmitteln. Nicht ungesund genug, meint die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa (European Food Safety Authority). Vor einem Monat beschloss sie, dass es in der EU kein Verbot geben soll. Dagegen formiert sich nun Widerstand.
Auf Initiative der dänischen und britischen Verbände Forbrugerrådet und The Food Commission haben sich 42 Verbraucherschutzorganisationen aus 12 EU-Ländern von Irland bis Spanien – deutsche sind nicht darunter – zu einer Initiative für ein Azofarbenverbot zusammengefunden.
Für ein Verbot sprechen die Ergebnisse einer Studie der britischen Universität Southampton von 2007. Sie stellen einen Zusammenhang zwischen Hyperaktivität, Aggressivität und Konzentrationsschwierigkeiten bei Kindern und dem Genuss von Süßigkeiten mit Azofarben her. Ähnliche Studien gibt es aus Japan und den USA. Efsa kann einen Zusammenhang zwar nicht ausschließen, meint aber, es fehle an stichfesten Beweisen
Jan Bergtoft, Generalsekretär des schwedischen Verbraucherverbands, kritisiert: „Der Verdacht einer gesundheitsschädlichen Wirkung müsste schon genügen. Vor allem, weil Azofarben keinerlei Nutzen für den Verbraucher haben.“ Aber natürlich haben sie diesen Nutzen für die Produzenten: Bei der Wahl zwischen blassen und bunten Süßigkeiten oder Limonaden lassen sich nicht nur Kinderaugen von kräftigen Farben verführen. KritikerInnen der Verwendung von Azofarben in Lebensmitteln hoffen nun auf das EU-Parlament. Dort gibt es Bestrebungen für eine Verschärfung der Gesetzgebung. Die schwedische sozialdemokratische EU-Parlamentarierin Åsa Westlund plädiert für ein deutliches Vorsichtigkeitsprinzip: „Wir müssen abwägen, welchen Einfluss solche Stoffe einerseits auf die Umwelt und den Konsumenten haben und ob sie andererseits einen praktischen Zweck erfüllen.“
Die synthetischen Azofarbstoffe verstecken sich hinter E-Nummern wie E 102 (Tartrazin), E 110 (Gelborange), E 122 (Azorubin), E 124 (Cochenillerot) oder E 129 (Allurarot). Man findet sie etwa in Süßigkeiten, Obstkonserven, Speiseeis, Käse und Fischerzeugnissen. In Textilien gibt es seit über einem Jahrzehnt Beschränkungen für die Anwendung von Azofarben. Sogar Tiere leben gesünder als Menschen: Im Tierfutter ist die Verwendung von Azofarbstoffen verboten.
REINHARD WOLFF