Kaum kriminelle Energie

Daily Dope (276): Jan Ullrich bleibt ohne Vorstrafe. Gegen Zahlung eines sechsstelligen Betrags wird das Betrugsverfahren gegen den Doper eingestellt

BONN ap/dpa/taz ■ Die Bonner Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen Ex-Rad-Profi Jan Ullrich wegen „Täuschung und Betruges zum Nachteil seiner Arbeitgeber“ eingestellt. Das teilte die Anklagebehörde am Montag mit. Mit der Einstellung sind für Ullrich demnach eine Reihe von Auflagen verbunden, darunter die Zahlung einer sechsstelligen Geldsumme an gemeinnützige Institutionen und die Staatskasse. Mit der Freigabe aussagekräftiger Ermittlungsakten, die von der Schweizer Polizei in Ullrichs Wohnhaus in Scherzingen sichergestellt worden waren, hat der Exradler einen weiteren hohen Preis für das Ende der Ermittlungen gezahlt. Der Toursieger des Jahres 1997 gilt damit als nicht vorbestraft.

Zur Begründung erklärte die Staatsanwaltschaft unter anderem, Ullrich sei durch die Ermittlungen gezwungen gewesen, seine Radsportkarriere zu beenden. Neben dem Verlust seines überwiegenden Lebensinhaltes habe er auch gravierende finanzielle Einbußen erlitten. Ullrichs Ruf als Sportler sei stark beschädigt, und er habe einen hohen Ansehensverlust in der Bevölkerung erlitten. Das Verfahren war eingeleitet worden, nachdem die Bielefelder Rechtsprofessorin Britta Bannenberg im Juli 2006 Strafanzeige gegen Ullrich gestellt hatte.

Dessen Behauptung, „er habe niemanden betrogen“, habe „den strafrechtlichen Vorwurf nicht entkräften“ können, doch sei die „kriminelle Energie des Beschuldigten letztlich als eher gering zu bewerten“, so steht es in der am Montag von der Staatsanwaltschaft verbreiteten Erklärung. Im Tatzeitraum sei das Doping im Radsport offenbar so verbreitet gewesen, dass die Hemmschwelle zur Anwendung leistungsstärkender Mittel herabgesetzt gewesen sei. Dies hätten die Erkenntnisse während des Ermittlungsverfahrens ergeben, unter anderem die Geständnisse zahlreicher anderer Radsportler. Der zuständige Staatsanwalt Fred Apostel ist sich ganz sicher: „Unsere Ermittlungen über 21 Monate haben ergeben: Ullrich hat gedopt.“

Mit der Freigabe der Unterlagen aus seiner Villa habe Ullrich den Ermittlungsbehörden Zugriff auf wichtige Beweismittel verschafft. Die können für weitere Ermittlungen im Bereich Doping „von erheblicher Bedeutung“ sein. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Focus belegen die Papiere und E-Mails, dass die Team-Leitung des inzwischen aufgelösten T-Mobile-Rennstalls in die Doping-Praktiken verwickelt gewesen sei.

Die Staatsanwaltschaft erklärte zur Verfahrenseinstellung weiter, mit den Geschädigten sei weitreichender Rechtsfrieden in Bezug auf mögliche zivilrechtliche Ansprüche hergestellt. Vom Hauptgeschädigten, dem Sponsor T-Mobile, würden keine Ansprüche mehr geltend gemacht, man habe frühzeitig einen umfassenden Vergleich geschlossen. Gegenüber seinem früheren Rennstall Team Coast habe Ullrich auf Forderungen in siebenstelliger Höhe aus einem Fahrervertrag verzichtet.