: Bremen als produktiver Zufall
Drei Jahre nach der Gründung hat „Jazzahead!“ den richtigen Groove gefunden: Das Publikum wächst, die Jazz-Messe funktioniert als europaweit einmaliger Networking-Knoten
Von WILFRIED HIPPEN
„Jazz doesn’t sell“ lautet ein Merksatz, den jeder Konzertmanager, Plattenverkäufer und Musiker kennt. Die improvisierte Musik fristete immer ein Nischendasein und in den letzten Jahren sinken die Verkaufszahlen bei CD’s und Konzertkarten noch tiefer als in den anderen, ebenfalls in der Krise steckenden Musikbranchen.
Da schien es vor drei Jahren recht abenteuerlich, in Bremen eine Jazzmesse aus der Wiege zu heben. Die Messe- und Ausstellungsgesellschaft Hansa (MGH) will das von ihr verwaltete Congress Centrum zu einem attraktiven Veranstaltungsort machen, und der in Bremen ansässige Trompeter Uli Beckerhoff sowie Peter Schulze, der ebenfalls hier wohnende Leiter des Jazzfestes Berlin, haben ein Interesse daran, die Stadt aus ihrer schläfrigen Provinzialität in Sachen Jazz zu wecken. Aber wo sollte genügend Publikum für solch eine aufwändige Veranstaltung herkommen?
Immerhin gibt es zumindest in Europa kein Konkurrenzunternehmen. „Der Kuchen ist zwar klein, aber er reicht, weil wir ihn nicht teilen müssen“, sagte Hans Peter Schneider von der MGH und die von ihm anvisierten rund 4.000 Besucher sind tatsächlich gekommen. Offenbar gibt es doch ein Bedürfnis nach solch einem Treffpunkt für die internationale Jazzszene, denn diese besteht ja nicht nur aus den Musikern, sondern auch aus Impressarios, Angestellten von Plattenlabels, Kulturarbeitern, die in den öffentlichen Förderorganisationen beschäftigt sind, Herausgebern und Journalisten, Radio-Redakteuren, Instrumentenbauern, Festival-Organisatoren, deren Hauptbeschäftigung im so genannten Networking besteht. Und dafür eignet sich diese Messe ideal. Die Zahl der Aussteller ist auf 170 gestiegen, die der anwesenden Festivaldirektoren auf 65.
Durch die guten Kontakte von Beckerhoff und Schulze war es von Anfang an möglich, für die Abendkonzerte große Stars nach Bremen zu holen. Nach Joe Zawinuls Auftritt im letzten Jahr waren das diesmal der Trompeter Wallace Rooney, die Percussionisten Marilyn Mazur und Trilok Gurtu sowie der Saxofonist Maceo Parker und seine Band. Ein Anliegen der Veranstalter besteht darin, die Messe in die Stadt zu bringen, und als ein erster Schritt in diese Richtung wurden neun Auftritte in den Schlachthof „outgesourced“.
Dass die Veranstalter sich intensive Gedanken über den aktuellen Zustand des Jazz gemacht haben, zeigt sich unter anderem an ihrem Engagement für den Nachwuchs: Am Freitag waren die Gänge mit Schulkindern gefüllt, die entweder selber bei dem gemeinsamen Konzert der Bläserklassen aus Bremen und Niedersachsen spielten, oder bei „Jazz für Pänz“ von Musikern, die gleichzeitig Pädagogen sind, spielerisch etwas über Jazz lernen, vor allem aber auf den Geschmack kommen konnten.
Um Spielmöglichkeiten und darauf folgend auch Karrieresprünge für junge JazzerInnen zu fördern, wurde zum zweiten Mal das „German Jazz Meeting“ veranstaltet. Zwölf deutsche Formationen bekamen die Gelegenheit, sich in 20-minütigen „Showcases“ zu präsentieren. Beeindruckend war dabei kein einzelner Akt – die große neue Entdeckung gab es zumindest für den Rezensenten nicht – sondern die Bandbreite der Musik- und Vortragsstile. Und wenn „Jazz Ahead“ dafür eine Plattform bietet, ist zugleich der Kunst und dem Geschäft gedient.