: „Für Investoren wären 49,9 Prozent besser“
CDU-Verkehrsminister Daehre fordert, die Erlöse der Bahnprivatisierung in das Schienennetz zu investieren. Auch für die Bahnhöfe fehlt Geld
KARL-HEINZ DAEHRE, 63, ist Minister für Landesentwicklung und Verkehr in Sachsen-Anhalt. Derzeit ist der CDU-Politiker zugleich Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz der Bundesländer.
taz: Der Parteirat Ihres Koalitionspartners SPD hat gestern beschlossen, 24,9 Prozent der Verkehrsgesellschaften der Bahn zu verkaufen. Was halten Sie davon?
Karl-Heinz Daehre: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Bundesländer sind nicht gegen die Teilprivatisierung. Sie haben nur die Sorge, dass sie nicht dabei sind, wenn die Bahnreform verabschiedet wird. Die Länder fordern ein Mitspracherecht.
Wie kann man die Länder übergehen? Sie stellen doch den Nahverkehr.
Wenn die Reform nicht als Gesetz verabschiedet wird, sind die Bundesländer außen vor. Deshalb müssen wir jetzt wissen, wie das Verfahren läuft. Die Länderverkehrsminister haben sich einstimmig für eine Beteiligung der Länder ausgesprochen. Ich hoffe, dass das politische Berlin uns eine große Diskussion erspart und die Länder einbezieht. Wir müssen sicherstellen, dass in den Nahverkehr weiter investiert wird. Und wir brauchen dort Qualitätsstandards.
Würde eine Mitsprachemöglichkeit der Länder nicht den Zeitplan der Bahnprivatisierung gefährden?
Die Länder haben sich schon im Herbst positioniert. Sie sind nicht dafür verantwortlich, wenn jetzt der Zeitplan ins Rutschen gekommen ist.
Was wollen die Länder regeln?
Wichtig ist: Ein bestimmter Prozentsatz der Privatisierungserlöse muss in das Schienennetz investiert werden. Zudem muss die Finanzierung solcher Regionalverkehre gesichert sein, die durch die Ausdünnung des Fernverkehrs notwendig werden. Andernfalls hätten die Länder den Schwarzen Peter.
Warum?
Wenn die Fernverkehre ausgedünnt werden, müssten die Länder den Ersatz womöglich aus ihren Regionalisierungsmitteln bestreiten. Die würden ihnen dann an anderer Stelle fehlen. Wir müssten unrentable Strecken streichen. Außerdem muss die Sanierung von Bahnhöfen sichergestellt werden, die in einem sehr schlechten Zustand sind.
Befürchten Sie, dass Städte wie Magdeburg oder Halle (Saale) vom Fernverkehr abgekoppelt werden?
Magdeburg steht – im Unterschied zu Halle – noch nicht auf der Ausdünnungsliste, aber die ist ein deutschlandweites Problem. Da müssen wir uns mit der Bahn auseinandersetzen. Bahnchef Hartmut Mehdorn hat mir in einem Telefonat versichert, dass die Bahn ein großes Interesse daran hat, die Leistungen im Fernverkehr aufrechtzuerhalten. In dem ein oder anderen Fall ist eine Ausdünnung vielleicht vorgesehen, da müssten wir mit den Regionalisierungsmitteln weiterkommen. Das können wir uns aber gar nicht leisten.
Führt der Renditedruck, der durch die Teilprivatisierung entsteht, nicht zwangsläufig zur Ausdünnung des Angebots?
Die Bahn wäre gut beraten, das nicht zu tun. Solche Strecken erfüllen Zubringerfunktionen, auch für den ICE. Wenn das alles wegbricht, würde die Bahn Kunden verlieren, die das Ganze bezahlen sollen. Die Bahn muss ihre Attraktivität steigern: Das beginnt im Nahverkehr und hört beim ICE auf, dazwischen ist der Fernverkehr. Das muss ein Dreiklang sein.
Lässt sich ein solcher Dreiklang von Attraktivität mit privaten Investoren überhaupt erhalten?
Durch Ausschreibungen im Nahverkehr haben wir positive Ergebnisse erzielt. Jetzt wollen Investoren kommen und Geld in die Bahn stecken. Wenn das die Attraktivität der Bahn steigert, wären wir die Letzten, die Nein dazu sagen.
Die SPD will nur 24,9 Prozent der Bahn verkaufen. Reicht Ihnen das?
Sicher wären 49,9 Prozent für Investoren interessanter. Aber wir können erst einmal sehen, wie das mit einer Veräußerung von 24,9 Prozent läuft. Ob so oder so – das ist nicht das Problem der Länder. Deren Problem ist: Die Qualitätsstandards im Nahverkehr müssen erhalten beziehungsweise ausgebaut werden. Wir haben zurzeit noch Langsamfahrstellen, wo Züge nur 40 Kilometer pro Stunde schnell sind – da kann man kein Angebot mehr für den Nahverkehr unterbreiten. Wir brauchen in der Fläche ausgebaute Strecken, auf denen 80 Kilometer pro Stunde Standard sind.
INTERVIEW: RICHARD ROTHER