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Archiv-Artikel

Der Balkonpräsident

Bundestagspräsident Norbert Lammert eröffnete die Balkonblumensaison. Schade! Wo bloß war Horst Köhler?

Von JAF

Es sind diese Pressemitteilungen, über die Journalisten sich lustig machen: Da besucht irgendein Würdenträger ein Weinköniginnentreffen, beehrt ein Ministerpräsident das Jahresheringstreffen – je nach Rang verleihen diese Menschen irgendeinem nicht weiter erheblichen Anlass eine Form von Weihe. Die für die Sache vielleicht nicht nötig ist, aber andererseits schmückt. Gestern wurde offiziell die Balkonblumensaison eröffnet, das jährliche Garnieren von Balkonen und Fenstersimsen. Sommerhits dieses Jahres sind, heißt es in einer Pressemitteilung, der Elfensporn, die Batate oder die Süßkartoffel. Und, da sind wir uns doch sicher: Alle einigen sich dann doch auf Geranien, rote zumeist.

Warum wir das beachten? Aus Enttäuschung. Nicht Bundestagspräsident Norbert Lammert hätte dieses Datum würdigen sollen – er ist letztlich doch nur der CvD, der Chef vom Dienst im parlamentarischen Betrieb. Der höchste Mensch im Staate sollte diese Aufgabe übernehmen! Also: Wo war bloß Horst Köhler mit seiner Frau Eva? Ach? Der soll lieber warnen und mahnen? Rucks, deren es bedürfe, verkünden? Falsch. Das macht nur Angst, vor allem dann, wenn es keinen Grund gibt. Das Staatsoberhaupt sollte, wie im Vereinigten Königreich mit Elizabeth II., nur die schönen Dinge repräsentieren. Pferdeschauen und Flughafen eröffnen, Schulkinder streicheln, Kronen tragen, schöne Kleider, gute Frisuren – die rhetorische Drecksarbeit überlässt sie füglicherweise Niederen.

So hält es auch Königin Beatrix in den Niederlanden – ihr Volk und dessen Interpreten verlangen allerdings auch nicht von ihr, dauernd von Pech und Schwefel zu künden, die bald, käme es nicht zur Umkehr, vom Himmel böse regneten.

Insofern: Der Bundespräsident soll kein Ersatz-Eiserner-Kanzler mehr sein, die politische Warner-’n’-Mahner-Elite möge von ihm nicht verlangen, den Überbringer misslicher Botschaften (die Wirtschaft, die Löhne, die Armut usw.) zu spielen, sondern eine Art Lebensbegleiter des Angenehmen. Das Leben ist doch, ein Blick in die Gartenblumenläden und bald frisch bepflanzten Gärten belehrt es, eigentlich sehr schön! JAF