Schwarze Kracher für die Grünen

Faktisch ohne Diskussion und mit nur einer Enthaltung stimmte Hamburgs CDU auf ihrem Parteitag für Schwarz-Grün. Damit kommt auch die sechsjährige Grundschule – und deswegen setzt nun die Gymnasiumslobby die Christdemokraten unter Druck

VON KAIJA KUTTER
UND SVEN-MICHAEL VEIT

Nicht allen Hamburger Christdemokraten ist der künftige grüne Koalitionspartner so ganz geheuer. „Wir sind nicht mehr Maßschneider“, bedauerte der Abgeordnete Hans Lafrenz am Montagabend auf dem Kleinen Parteitag der CDU. Jetzt habe man nur noch die Wahl, „den Anzug von der Stange zu nehmen oder ohne Anzug herumzulaufen“.

Vor der Entblößung jedoch scheute auch der 70-Jährige wenige Minuten später zurück: Wie Lafrenz votierten weitere 208 Delegierte für den schwarz-grünen Koalitionsvertrag. Ohne Gegenstimme und bei nur einer Enthaltung billigte die Hamburger CDU nach gerade einmal eineinhalbstündiger Debatte, die faktisch ohne Diskussion blieb, den radikalsten politischen Kurswechsel ihrer Geschichte: Die erste schwarz-grüne Landesregierung wird – wenn wohl auch kaum zu Massenkonfektion – nächste Woche Realität.

Er sei „ausgesprochen dankbar für das Votum“, strahlte der Erste Bürgermeister Ole von Beust unter tosendem Applaus, für die CDU sei dies „kein einfacher Weg“. Dass sie ihn beschreitet, dafür hatten Parteichef Michael Freytag und vor allem Beust selbst mit temperamentvollen Reden gesorgt. Und versucht, den innerparteilichen Bedenken gegen den Schulkompromiss in Gestalt einer sechsjährigen Grundschule zu begegnen.

„Die Bildungspolitik ist bei uns sehr heiß diskutiert worden“, mahnte von Beust da, „aber wir müssen weg vom Entweder-Oder.“ Selbstverständlich bekenne er sich zum Leistungsgedanken, aber auch zur Chancengerechtigkeit. „Wenn wir sagen, wir brauchen neue Antworten, dann heißt das nicht, dass wir unsere Grundsätze aufgeben“, versicherte er dem Parteitag.

Und dazu zähle weiterhin, „dass es keine Zerschlagung der Gymnasien geben wird“. Von deren Schulleitern hätte er sich im Wahlkampf halb so viel Unterstützung gewünscht, wie es jetzt Proteste gebe. Die Gymnasien jedoch werde die CDU auch jetzt nicht im Stich lassen.

„Es wird Mitte Mai eine schulpolitische Erklärung der CDU geben“, ergänzte der Schulpolitiker Robert Heinemann. Die Grün-Alternative Liste (GAL) stelle zwar die Senatorin, „aber wir sind auch noch da“. Die CDU werde erklären, wie sie den Schulkompromiss verstehe: „Die Eltern werden vor der Einschulung die Wahl haben, ob ihr Kind an eine eigenständige Grundschule geht, oder an eine, die ab Klasse 1 oder 4 mit einem Gymnasium kooperiert.“

Ein Detail, das der Gymnasialklientel entgegenkommen soll, dieser aber offenbar nicht ausreicht: Just am 7. Mai – dem Tag, an dem Schwarz-Grün seine Senatoren wählt – startet in den gutbürgerlichen Elbvororten eine Volksinitiative für den Erhalt der Gymnasien ab Klasse 5 – Motto: „Wir wollen lernen“.

Im Internet kursiert die Kunde, die Initiative sei ein „sorgfältig geplantes Szenario“ – ein „Kracher“ – mit dem die CDU-Basis den Widerstand gegen die Schulpolitik mobilisiere. Heinemann hält das für abwegig: „Wir starten keine Volksinitiative gegen uns selber“, sagt er zur taz. Er wolle die geplante Reform „konstruktiv“ begleiten und offene Fragen der Eltern schnell beantworten.

Auch der Initiator der Initiative, der Elternvertreter Walter Scheuerl aus Hamburg-Othmarschen, verneint jeden direkten Zusammenhang zur CDU. „Ich bin in keiner Partei“, sagt er, „und werde keiner beitreten.“ Er habe lediglich mit einzelnen CDU-Mitgliedern Mailkontakt gehabt. Den frühen Termin für die Gründung der Volksinitiative habe er gewählt, um die Reform noch aufhalten zu können. „Ist die Sache erst mal auf die Schiene gesetzt, lässt sich der rollende Güterzug nur schwer bremsen“, sagt Schuerl. Davon, zuerst einmal mit der grünen Schulsenatorin zu reden, „verspreche ich mir nichts“, sagt der Rechtsanwalt.

Argumentativ stützt sich der Vater unter anderem auf die nicht unumstrittene „Element“-Studie aus Berlin. Diese verglich die Lernerfolge der dortigen sechsjährigen Grundschule mit denen einer kleinen Gruppe separierter Gymnasiasten.

„Für das Individuum ist der Übergang ins Gymnasium in Klasse 5 auf jeden Fall besser“, glaubt Scheuerl. Er hofft, bereits Ende Mai mehr als 10.000 Unterschriften zusammenzubekommen – und damit die CDU zu beeindrucken. „Kann sein“, sagt er, „dass die CDU dann sagt: Oh, liebe GAL, wir haben eine Volksinitiative. Die müssen wir ernst nehmen“.