: Der entzauberte Egozentriker
Vor einem Jahr siegte Nicolas Sarkozy über die Sozialistin Ségolène Royal. Voller Tatendrang wollte er alles umkrempeln. Inzwischen ist er für viele Franzosen nur noch ein öffentliches Ärgernis FOTO: REUTERS
Es ist das Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu verlernen. Der meinte, mit seiner Devise „Gesagt – getan“ und einem strahlendem Siegerlächeln könne er nicht nur seine eigenen Unzulänglichkeiten überspielen, sondern auch „Mentalitäten“ beseitigen und Frankreich nach seinem Modell „modernisieren“. Einen „Bruch“ wollte Nicolas Sarkozy herbeiführen. Mit einem Feuerwerk von Ankündigungen und überraschenden Schachzügen verblüffte er 2007 seine Landsleute, die dank seiner täglichen Omnipräsenz in den Medien live mitverfolgen konnten, wie der Ex-Innenminister und Präsidentschaftskandidat mit der verschlafenen Ära Chirac aufräumte. Desorientiert war die linke Opposition, der Sarkozy ungeniert Regierungsmitglieder und Berater ausspannte.
Schon nach dem ersten halben Jahr fragten sich anfängliche Bewunderer, ob der Hyperaktivismus nicht bloß Blendwerk sei. Sarkozy hatte sich als Wortführer der kleinen Leute und deren großer Sorgen wählen lassen. Einmal an der Macht entpuppte er sich als Freund der Jetsetter und „Milliardäre“, deren Luxus er imitierte und von denen er sich Flüge und Ferien spendieren ließ. Er revanchierte sich mit einer ersten Steuerreform zu Gunsten der Vermögenden, welche die Staatskasse mehr als 12 Milliarden Euro kosten soll. Zum Jahresauftakt 2008 kündigte ein hilfloser Präsident der Nation an, dass „die Kassen leer sind“. Die Wähler, denen Sarkozy eine Kaufkraftsteigerung versprochen hatte, fühlten sich verschaukelt.
Der erste wirkliche Knick in der Kurve der Popularität hatte indes nichts mit der Politik und Sarkozys ehrgeizigem Reformprogramm zu tun, sondern mit seinem Privatleben, das er mit einer für Frankreich ungewohnten Indiskretion in Magazinen und im Fernsehen enthüllte. Als die Ehekrise mit Cécilia ruchbar wurde und dann mit der Scheidung endete und Sarkozy nur wenige Wochen danach bereits mit dem Ex-Fotomodell Carla Bruni vor den Kameras flirtete, nahm man ihm das übel.
Ein Jahr nach seiner Wahl befindet sich Sarkozy auf dem Tiefpunkt der Popularitätsumfragen. Vom Feuerwerk einer großspurigen Reformpolitik ist nur der Rauch geblieben. Die Illusionen sind vergangen, die Skepsis und Frustration der Franzosen über einen Staatschef, der ihnen hoch und heilig geschworen hatte, er werde es besser machen als seine Vorgänger, sitzt tief. Denn sein voluntaristischer Tatendrang wurde durch die Realpolitik als dilettantische Improvisation entlarvt. Hinter dem Macher verbarg sich ein narzisstischer Egozentriker. Die Kritik ist Sarkozy nur eine Grimasse wert. Er bleibt noch vier Jahre an der Macht. RUDOLF BALMER