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Archiv-Artikel

Spiel mit dem Feuer

Die von Syrien und Iran unterstützte Hisbollah-Miliz hat große Teile von Libanons Hauptstadt Beirut besetzt – ein Machtkampf mit höchstem Risiko

VON KARIM EL-GAWHARY

Libanons Hisbollah zeigt ihre Muskeln. Kämpfer der schiitischen Miliz haben nach kurzen Straßenkämpfen große Teile Westbeiruts unter ihre Kontrolle gebracht. Mindestens elf Menschen sind dabei ums Leben gekommen.

Am gestrigen Freitag war die Lage in der libanesischen Hauptstadt relativ ruhig, aber extrem gespannt. Nur noch vereinzelt waren Schüsse zu hören. In der Hamra, der wichtigsten Einkaufstraße im Westen der Stadt, haben Hisbollah-Kämpfer Stellungen bezogen. Die Residenzen des sunnitischen Spitzenpolitikers Saad Hariri und des Drusenführers und Walid Dschumblatt wurden belagert. Ministerpräsident Fuad Siniora verschanzte sich in seinem von Polizei und Soldaten schwer bewachten Büro in der Innenstadt. Dschumblatt erklärte in einem Interview mit der arabischen Fernsehstation al-Arabija, dass er unter dem Schutz der Armee ausharren wolle. „Niemand kann Beirut einseitig übernehmen. Keine Partei, wie mächtig sie militärisch auch sein mag, kann die andere abmurksen“, sagte er, erklärte sich aber auch zu einem Dialog mit Hisbollah bereit.

Zuvor hatte die Schiiten-Miliz die Büros des regierungsnahen Future-TV und der Tageszeitung al-Mustakbal gestürmt. Beide gehören Saad Hariri, dem Sohn des ermordeten Premierministers Rafik Hariri und Chef der Regierungsfraktion im Parlament. Libanons Regierungsarmee hat sich aus den Kämpfen herausgehalten, hat aber das Gebäude von Future-TV von der Hisbollah wieder übernommen, unter der Voraussetzung, dass die Station nicht wieder auf Sendung geht.

Ausgelöst worden war die neueste Krise des Libanon, der ohnehin zwischen einer prowestlichen Regierung und einem von der proiranischen Hisbollah angeführten Oppositionsbündnis polarisiert ist, durch einen Beschluss des Kabinetts, ein privates Telekommunikationsnetz der Hisbollah zu schließen. Außerdem war der Chef der Flughafensicherheit gefeuert worden, weil er beschuldigt worden war, am Flughafen Spionagekameras für die Hisbollah installiert zu haben. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte daraufhin von einer „Kriegserklärung“ der Regierung gesprochen, bevor seine Kämpfer selbst in den Krieg zogen.

Unklar bleibt, wie sich die Krise weiterentwickelt. Beide Seiten scheinen zunächst darauf bedacht, die Lage nicht noch weiter zu eskalieren. Hariri forderte die Hisbollah auf, ihre Kämpfer zurückzuziehen, um den Libanon „vor der Hölle zu bewahren“. Als Kompromiss solle die Armee, die sich bisher aus dem Konflikt herausgehalten hat, alle Stellungen übernehmen.

Die internationalen Reaktionen sind hilflos. Der UN-Sicherheitsrat forderte die rivalisierenden Parteien zu einer sofortigen Einstellung der Kämpfe und zur Aufnahme von Gesprächen auf. Am Sonntag soll sich in Kairo ein Krisengipfel der arabischen Außenminister mit der Lage im Libanon befassen. Syriens Präsident Baschar Assad erklärte dagegen die Krise zu inneren Angelegenheit des Libanon.

Deutlich geworden ist durch die jüngste Zuspitzung, dass Libanons prowestliche Regierung der von Syrien und dem Iran unterstützten Hisbollah militärisch nur wenig entgegenzusetzen hat. Die Armee kann sie nicht einsetzen, da dann die einzige Institution, die noch die Einheit des Landes garantiert, selbst in einen Bürgerkrieg hineingezogen werden würde.

Arabische Medien vergleichen die letzten Tage im Libanon bereits mit den Tagen, in denen die islamistische Hamas letztes Jahr in nur einer Woche den gesamten Gazastreifen übernahm. „Die Hisbollah wird sich jetzt nicht einfach zurückziehen, ohne einen Preis einzufordern“, glaubt Jamil Mroue, Chefredakteur der libanesischen Tageszeitung Daily Star. Auch die Regierung aber könne nicht einfach nachgeben, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Die Frage sei jetzt, „was die Regierung noch in ihrem Arsenal hat“. Das hängt davon ab, wie ihr jetzt von außen der Rücken gestärkt wird.

Allerdings scheinen auch die Verbündeten der Regierung nicht willens, sich der Hisbollah entgegenzustellen. Stattdessen fordern sie politische Zugeständnisse, damit die Hisbollah ihre Kämpfer wieder zurückzieht. So soll der saudische Botschafter im Libanon dem Premier geraten haben, zurückzutreten. Ansonsten, so die saudische Furcht, droht die Lage schnell noch weiter zu eskalieren.

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