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Archiv-Artikel

Verleger aller Klassen

Nikolaus Hansen hat sich vom Kleinverlag zum Rowohlt-Chef hochgearbeitet. Und wieder zurück. Nach dem Scheitern bei Rowohlt überwarf er sich mit seinem Partner beim Mare Buchverlag. Nun soll er Arche und Atrium zu neuem altem Glanz verhelfen

Nikolaus Hansen hat nicht das Charismatische eines Michael Krüger und es ist typisch, dass er das selber feststellt

VON FRIEDERIKE GRÄFF

Nikolaus Hansens Weg gleicht einem Dreieck und das Bemerkenswerte daran ist, dass er der Spitze nicht hinterherweint. Die Spitze, das war Rowohlt, wo er nach sieben Jahren gehen musste. Jetzt soll er Verleger bei Arche werden, einen Verlag mit einer bemerkenswerten Vergangenheit und einer eher mittelmäßigen Gegenwart und dem gerade wiederbelebten Atrium-Verlag. Zusammen haben sie knapp ein Dutzend Mitarbeiter. Rowohlt hatte 200, als Hansen ihn übernahm. „Ich habe gelernt, dass ich eher ein Mann für die kleinen Verlage bin“, sagt er.

Nikolaus Hansen ist ein Mann, mit dem sich gut über Fehler sprechen lässt. Nicht über die der anderen, wo die meisten Menschen geistreich werden, sondern die eigenen. Man könnte sagen, dass Hansens Weg bis zu Rowohlt ein gradliniger, vorhersehbarer war: Der Einstand bei Weissmann, einem linken Kinderbuchverlag, wo er erkannte, dass Basisdemokratie nicht sein Ding ist, über Rogner & Bernhard bis hin zu Rowohlt, dem Verlag, von dem er immer geträumt hatte. Dem großen Verlagsschiff, das, sagt Hansen, ins Trudeln geriet, weil Holtzbrinck keine Gegenstrategie entwickelte, als Bertelsmann zum Angriff blies.

Das sagt zumindest Hansen. Dass Bertelsmann mit edel ausgestatteten Taschenbüchern eine Marktlücke entdeckte und zugleich die Jagd auf neue Autoren eröffnete, während Holtzbrinck glaubte, mit dem eigenen Bestand weiter vor sich hinpusseln zu können. „Es ist ein gefährlicher Vergleich“, sagt Hansen, aber eigentlich sei es ihm ergangen wie Gerhard Schröder, dessen Arbeit nicht direkt verstanden worden sei.

Hansen stellte Taschenbuchreihen wie „Die neue Frau“ und „Rowohlt aktuell“ ein und er proklamierte, dass nicht jeder Autor ein Daueranrecht auf Veröffentlichung habe. Er holte Autorinnen wie Ildikó von Kürthy und Petra Hammesfahr zum Verlag, aber auch Stewart O’Nan. Hansen nennt die Bücher mit den guten Verkaufszahlen vor denen mit den guten Rezensionen, er ist kein Feind der Zahlen, im Gegenteil. Er hatte im Grundsatz nichts gegen die McKinsey Leute, die schließlich Rowohlt durchleuchteten, aber er teilte ihre Meinung nicht, dass ein Verlag ein Geschäft sei wie ein Automobilbauer auch.

In den Zeitungen war bei Hansens Weggang vor allem von seinen zwei großen Fehlschlägen zu lesen: Der von ihm verantworteten Juhnke-Biographie und Karaseks Buch über den Spiegel, für die große Vorschüsse gezahlt wurden und die sich kaum verkauften. Hansen ging schließlich, aber wäre er nicht selbst gegangen, hätte man ihn wohl entlassen. Damals hat er zum ersten und letzten Mal überlegt, mit dem Verlegen aufzuhören.

Er wollte ein Kinderspielhaus in Hamburg gründen, angelehnt an das Lindgren-Haus in Stockholm, aber er fand kein passendes Grundstück.

Stattdessen traf er auf Nikolaus Gelpke und obwohl Hansen mittlerweile mäßig gut auf ihn zu sprechen ist, sagt er, dass er Gelpkes Mare-Konzept „fabelhaft“ finde. Die Idee, dem Meer ein Medium zu geben, damit es nicht eine grau-blaue Oberfläche bleibt, sondern etwas Eigenes, Erstaunliches wird, das die Leser ganz beiläufig wertzuschätzen lernen. Hansen wurde Mitbegründer des Mare-Buchverlags und machte dort mit wenigen Leuten gute, auch nach Verkaufszahlen erfolgreiche Bücher und wenn er darüber spricht, wie es gelang, die Druckerei zu Nachtschichten zu bewegen, wird er sehr lebhaft.

Hansen hat nicht das Charismatische eines Michael Krüger und es ist typisch, dass er das selber feststellt, er hat auch nicht eine inhaltliche Mission wie ein Christoph Links, der der DDR-Geschichte einen angemessenen Raum geben will. Aber Hansen, der Segler, der zwei Jahre lang mit Freunden die Welt umschiffte, hat etwas Sportliches an sich, ein „Wir geben den Büchern einen ebenso guten Start in die Welt, wie es die großen Verlage tun“.

Dazu passt die Geschichte, die er von seinem Lektor erzählt. Einem jungen Mann, der bei Mare seine erste Lektorenstelle antrat und dort so gute Arbeit machte, das ihn schließlich Suhrkamp abwerben wollte. Natürlich bot Suhrkamp dem Lektor ein besseres Gehalt und Hansen riet ihm, sich die Sache ernsthaft zu überlegen. Was er nicht tat: Eine Gehaltserhöhung anzubieten. Der Lektor blieb trotzdem. Und Hansen erhöhte ein halbes Jahr später sein Gehalt.

Alles schien gut, aber dann überwarf sich Hansen Ende letzten Jahres mit Gelpke und verließ Mare. Nichts Neues für ihn, aber diesmal beunruhigend, weil er mittlerweile 56 Jahre ist, zwei Kinder zu ernähren hat und trotz des Erbes aus seiner Hamburger Kaufmannsfamilie durchaus darauf angewiesen ist, Geld zu verdienen. Hansen war beunruhigt, für sein neues Verlagskonzept fand er keine Geldgeber. Da kam das Angebot, das ihm die früheren Arche-Verlegerinnen und die neue Eigentümerin, Silke Weitendorf vom Oetinger Verlag, fast zeitgleich machten: Ob er Arche und Atrium leiten wolle? „Ja“, sagte Hansen.

Wenn er jetzt darüber spricht, wirkt er wie ein frisch Verheirateter, der die Ehe wollte und jetzt noch herausfinden muss, ob es die richtige Frau ist. Es wird nicht ganz einfach sein, die bisherigen Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass Atrium seine Mitte finden und Arche weiterentwickelt werden müsse. Das hat Hansen in einem Interview gesagt und umgehend Ärger bekommen. Es mag auch nicht nur einfach sein, dass die Kinder von Silke Weitendorf im Atriumverlag mitarbeiten werden.

Es wird sich zeigen müssen, ob die Idee von Silke Weitendorf aufgeht, die den Oetinger-Autoren, die sich auf das Erwachsenen-Literaturparkett bewegen wollen, in den beiden Verlagen eine Zweitheimat geben will. Immerhin steht Nikolaus Hansen nicht allein da. Drei Mitarbeiter vom Mare Buchverlag folgen ihm, darunter der Lektor. „Ich bin nicht sicher, dass das gut geht“, sagt Nikolaus Hansen mit der Demut eines Menschen, der es zur Genüge kennt: den Wechsel von Aufstieg und schnellem Fall.